694 lhersicht über die yolitische Eutwicheluns des Jahres 1909.
am 12. Juni und des Deutschen Bauernbundes (80. Juni) richtet
sich besonders gegen das Uebergewicht des Bundes der Landwirte
infolge seines Einflusses auf die konservative Partei und dadurch
auf die Politik. Aber auch innerhalb der konservativen Partei
kommt es zu Protesten und Abzweigungen. Die scharfe Anspannung
der indirekten Steuern hatte ferner noch die Wirkung, daß aus
dem Kreise derjenigen, die am wenigsten in der Lage find, die neuen
Lasten abzuwälzen, der „Bund der Festbesoldeten“ hervorging.
Die durch den Verlauf der Reichsfinanzreform veränderte
Stellung der Parteien zueinander und zur Regierung bot auch den
Anlaß, daß von den Parteileitungen über ihre politischen Prinzi-
pien und parlamentarische Taktik Erklärungen an die Oeffentlich-
keit traten. Im Reichstag selbst ergriff dazu der konservative
Führer und Leiter des Bundes der Landwirte Dr. v. Heydebrand
und der Lasa ausführlich das Wort (S. 258). Ob das Zentrum
in erster Linie eine konfessionelle oder eine politische Partei sei, war
der Gegenstand eines Streites innerhalb der Partei; die Fraktions-
vorstände kamen schließlich zu dem Resultat, daß „die Zentrums-
partei grundsätzlich eine politische, nichtkonfessionelle Partei“ sei
(S. 347). Die Nationalliberalen kamen den Wünschen der Jung-
liberalen durch Anträge zur Fortbildung des preußischen Wahl-
rechts und zur Schaffung einer Ministerverantwortlichkeit im Reich
entgegen; sie betonten ihr treues Einstehen für die Blockpolitik des
Fürsten Bülow auch nach dessen Rückgang sehr lebhaft. Die Links-
liberalen machten mit ihren Einheitsbestrebungen Ernst. Auf dem
sozialdemokratischen Parteitag kam die Frage zur Erörterung, ob
die Fraktion auch bei der dritten Lesung der Erbanfallssteuer ein-
mütig dafür eingetreten wäre. Daß auch in der veränderten Situa-
tion ein Zusammenschluß „von Bassermann bis Bebel“ unmöglich
ist, liegt an der prinzipiellen Weigerung der Sozialdemokratie, für
die Militärausgaben zu stimmen (S. 325), und weil Bebel den
Gedanken des Zusammengehens mit der Volkspartei abweist (S.329).
Die Einigungsbestrebungen der Freifinnigen Fraktionen zur „Deut-
schen freisinnigen Volkspartei“ rückten Ende des Jahres der Ver-
wirklichung nahe.
Das Fazit der Kanzlerkrisis kennzeichnete Fürst Bülow selbst