Das Neische Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 9.) 59
Unser Kommen nicht allein die engen Bande der Berwandtschaft zwischen
Unsern Häusern vor der Welt in Erinnerung zu bringen beabsichtigt, son-
dern auch die Befestigung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen
Unsern beiden Ländern und dadurch die Erhaltung des allgemeinen Friedens,
auf welche Mein ganzes Streben gerichtet ist, erzielt. Mit dem Wunsche,
daß die gedeihliche Entwickelung Eurer Majestät ganzen Reiches auch in
Zukunft andauern möge, erhebe ich Mein Glas auf das Wohl Eurer
Majestät, Ihrer Majestät der Kaiserin und Ihres Hauses.
Beide Trinksprüche wurden in deutscher Sprache gehalten.
9. Februar. Zur Reichsfinanzreform.
Die Finanzkommission des Reichstags hat eine einstweilige Ent-
scheidung über die geschäftliche Behandlung des § 1 des Nachlaßsteuerent-
wurfs getroffen. Mit Blockmehrheit wurde beschlossen, die Abstimmung zu
verschieben und eine Unterkommission einzusetzen. Diese soll zunächst die
Erbschaftssteuernovelle durchberaten und damit feststellen, welche Erträge
herauszuarbeiten sind, welcher Fehlbetrag sich also noch gegenüber dem
von der Nachlaßsteuervorlage erwarteten Ertrag ergeben würde. Dann soll
die Unterkommission den Versuch machen, das Fehlende durch die Ver-
mögenssteuer oder durch die Veredlung der Matrikularbeiträge zu decken.
9. Februar. (Bayern.) Die jüngste Entwickelung des Ge-
werbes.
Wichtige Beiträge zur Kenntnis der gewerblichen Entfaltung Deutsch-
lands bieten die vom statistischen Landesamt des Königreichs Bayern ver-
öffentlichten Hauptergebnisse der gewerblichen Betriebszählung von 1907.
Sie sind ein vorzügliches Beispiel dafür, wie sehr der Industrialisierungs-
und Kommerzialisierungs-Prozeß sich auch in den Gebieten Deutschlands
mit stark landwirtschaftlichem Grundcharakter geltend macht. Die Zahl der
Gewerbebetriebe ist von 1895 bis 1907 von 450964 auf 483 959 gestiegen,
die Zahl der in den Gewerbebetrieben beschäftigten Personen von 1003584
auf 1353547. Die Zunahme beträgt also bei den Betrieben 32 995 oder
7,3 Prozent, bei den Personen 349963 oder 34,9 Prozent. Diese Ver-
änderungen beruhen zwar zum Teil auf formalen Verschiedenheiten der
beiden Zählungen. Im ganzen aber kommt in ihnen die tatsächliche Ent-
wicklung, deren Signatur eine sehr starke Zunahme des gewerblichen Lebens
ist, zutreffend zum Ausdruck. Das Personal aller Gewerbebetriebe hat sich
in dem kurzen Zeitraum von zwölf Jahren um mehr als ein Drittel ver-
mehrt, und ist damit beinahe 2½mal so rasch gewachsen wie die Gesamt-
bevölkerung des Landes. Gleichzeitig mit der Zunahme der gewerblich
tätigen Personen hat sich eine starke Vergrößerung der Gewerbebetriebe
vollzogen. Diese Erscheinung wird dadurch gekennzeichnet, daß das An-
wachsen des gewerblichen Personals in der Zeit von 1895 —1907 fast 5 mal
so stark gewesen ist, als das der Gewerbebetriebe, die nur um 7,3 Prozent
stiegen. Diese starke Großbetriebsrichtung der Entwickelung wird noch
deutlicher durch die Unterscheidung von Alleinbetrieben (Betrieben mit nur
einer Person), Kleinbetrieben (Betrieben von 2—5 Personen), Mittel-
betrieben (6—50 Personen) und Großbetrieben seher 50 Personen) dar-
gelegt. Bei solcher Unterscheidung ergibt sich, daß die ohne Gehilfen und
ohne Motoren arbeitenden handwerksmäßigen Alleinbetriebe um die große
Zahl von 45032 oder 23,7 Prozent abgenommen haben, während alle
andern Klassen von Betrieben ein starkes Wachstum zu verzeichnen haben.
Insgesamt betrug die Mehrung der Gehilfenbetriebe 41,2 Prozent. Noch
mehr hat sich die Zahl der Hilfskräfte vermehrt, die in diesen Betrieben