68 Nos Destsche Reiqh und seine einjeinen Slieder. (Februar 16. 17.)
16. Februar. (Zur Reichsfinanzreform.) Der Zentral-
verband für Handel und Gewerbe unterbreitet gemeinsam mit
dem Verband für Teppich-, Linoleum= und Möbelstoffhändler dem
Reichstag eine Eingabe gegen die geplante Elektrizitäts- und Gas-
steuer.
17. Februar. Der Kaiser wohnt der Sitzung des deutschen
Landwirtschaftsrates bei. Der durch seine Erfolge mit der Wünschel-
rute bekannte Landrat v. Uslar-Apenrade hält einen Vortrag über
die Wasserversorgung in Südwestafrika.
17. Februar. Fürst v. Bülow und die deutschen Landwirte.
Bei dem Festmahle zu Ehren der Tagung des deutschen Landwirt-
schaftsrats in Berlin hielt Fürst Bülow eine politische Rede mit folgendem.
Passus: Als der Bundesrat seine Vorschläge zur Reichsfinanzreform ein-
brachte, war er sich wohl bewußt, daß er auf allgemeine Zustimmung
sicher nicht zu rechnen habe, daß einzelne Projekte rechts, einzelne links
nicht gefallen würden. Aber, meine Herren, wir sollen auch aus der Ge-
schichte lernen. Große Reiche sind zugrunde gegangen an der Unfähigkeit,
ihre Finanzen zu ordnen. Insbesondere ist unser altes Deutsches Reich
zugrunde gegangen an Uneinigkeit und mangelnder Opferwilligkeit, die
eine Ordnung unseres Finanzwesens vereitelten in derselben Zeit, wo Eng-
land und Frankreich sich zu geordneten Finanzen und damit zu starken
Staatswesen durchrangen. Wir sind gottlob noch in der Lage, aus der
ganzen Misere glatt und völlig herauszukommen, wenn wir nur wollen,
wenn wir uns so zusammenfinden, wie die Größe der Aufgabe es un-
bedingt erfordert. (Zustimmung.) Von der Lösung der Finanzreform hängt
die Ehre, die Wohlfahrt, die Macht, die Sicherheit des Landes ab. Graf
Schwerin hat mit Recht die Verdienste unseres Kaisers um die Erhaltung
des Friedens hervorgehoben. Mit voller Befriedigung hebe ich hier in
erster Linie den Besuch des englischen Königspaares hervor, dessen würdiger
und schöner Verlauf nicht nur bewiesen hat, wie sehr den beiden Herr-
schern ein gutes Verhältnis zwischen ihren Reichen am Herzen liegt, son-
dern der auch den beiden Völkern Gelegenheit bot, zu zeigen, daß sie
freundliche und gute Beziehungen zueinander zu unterhalten wünschen.
Dieser Besuch und ferner das Abkommen mit der französischen Regierung
über Marokko, für das ich mit dem ausgezeichneten Vertreter der fran-
zösischen Republik an unserem Hofe Herrn Cambon eine, wie ich glaube,
für beide Teile ehrenhafte und praktische Form gefunden habe, haben im
Westen den Horizont geklärt. Wir haben Grund zu der Annahme, daß
es der friedlichen Gesinnung und den friedlichen Bemühungen aller Mächte
gelingen wird, auch im Osten die Wolken zu zerstreuen. Aber um den
Frieden des Reiches zu schirmen und gegen alle Wechselfälle sicherzustellen,
ist nicht nur die militärische, sondern auch die finanzielle Bereitschaft er-
forderlich. Ein Weg zur Verständigung kann gefunden werden, weil er
gefunden werden muß. (Zustimmung.) Und auch die Landwirtschaft soll
nicht vergessen, wie sehr gerade sie unter unseren schlechten Kreditverhält-
nissen im Reich und Staat zu leiden hat, welchen Nachteil ihr die uns
aufgedrungene Diskontpolitik gebracht hat. Die Hauptaufgaben, die großen
Aufgaben, die sich die deutsche Landwirtschaft gestellt hat — ich erinnere
nur an die Entschuldungsfrage, an die so hochwichtige innere Kolonisation,
an eine planmäßige Arbeiteransiedlung — stehen und fallen, das ist meine