Des Denische Rei und seine einzelnen Glieder. (März 5. 6.) 83
5. März. (Preußisches Abgeordnetenhaus.)
die Stimmen der Freisinnigen, Polen und Sozialdemokraten
erteilt das Abgeordnetenhaus der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung zur
strafrechtlichen Berfolgung des Gewerkschaftsbeamten Hermann Helbig aus
Leipzig, weil er in einer sozialdemokratischen Bersammlung von den Mit-
4 des Abgeordnetenhauses gesagt hatte, sie müßten vor sich selber
ausspeien.
6. März. (Preußisches Abgeordnetenhaus.)
Der Wohnungsgeldzuschuß für die Beamten in Preußen wurde in
der Kommission im Einverständnis mit der Regierung wie folgt geregelt:
1. Es verbleibt bei der neuen Klasseneinteilung der Orte, jedoch werden auch
die nach den letzten Beschlüssen noch deklassiert gebliebenen 48 Städte
wieder in ihre bisherige Klasse heraufgesetzt. 2. Es wird in allen Be-
amtenklassen und ohne Differenzierung zwischen Verheirateten und Un-
verheirateten durchweg eine Erhöhung von 33 ½ Prozent bewilligt. 3. Diese
Regelung gilt als Provisorium bis zum 1. April 1911. (S. 17. Februar.)
Das Abgeordnetenhaus nahm dieses Kompromiß am 9. März an.
6. März. (Frankfurt a. M.) Vierte Generalversammlung
der „Gesellschaft für soziale Reform“ unter Vorsitz des Staatz-
ministers a. D. Freiherrn v. Berlepsch.
Das Hauptreferat hält der Reichstagsabgeordnete Dr. Potthoff
über das Recht der Privatbeamten.
In der Diskussion erkennt der 2. Vorsitzende des Steiger-Verbandes
Herr Mantel-Essen die preußische Berggesetznovelle als einen großen Fort-
schritt an. Der Diplomingenieur Buchholtz vom Verband technischer Schiffs-
offiziere befürwortet die Beseitigung des Sonderrechtes, das die Seemanns-
ordnung für seine Berufsgenossen enthält. Ueber die Lage der Privat--
beamten gab Privatdozent Dr. Cahn nähere Angaben. Die Zahl der
Privatbeamten, die 1882 3 bis 400000 Personen betrug, war 1895 bereits
auf 850000 gestiegen und beläuft sich jetzt auf 1600000. Von den männ-
lichen Angestellten verdienen 60 Prozent weniger als 2100 Mark und
nur 14,3 Prozent mehr als 3000 Mark. Bon den weiblichen müssen sich
68 Prozent mit weniger als 1250 Mark begnügen und nur 10 Prozent
haben über 1800 Mark Einkommen.
Der ehemalige Staatssekretär Graf Posadowsky-Wehner hält eine
Ansprache: „Ich möchte einige Worte an Sie richten, lediglich als Privat-
mann, als ein Mann, der viele Stimmungen hinter den Kulissen kennt.
Es haben sich infolge unserer industriellen Entwickelung in den letzten
dreißig Jahren industrielle Konzerne gebildet, die ein Personal beschäftigen,
das die Einwohnerschaft ganzer Mittelstädte übertrifft. Dabei ist natur-
eemäß der Betrieb so kompliziert, daß die Verantwortlichkeit der vielen
ngenelien häufig größer ist als diejenige mancher Staatsbeamten. Ich
glaube, daß auch aus diesen Ursachen heraus Ihre Bestrebungen die leb-
hafteste Unterstützung verdienen, damit diese Angestellten im Falle ihrer
Invalidität nicht dem schwärzesten Elend anheimfallen. Nun ist hier der
Ruf nach neuen statistischen Unterlagen erhoben worden. Dagegen möchie
ich betonen, daß alle Statistiken nicht vermögen, ein vollkommen zutref-
fendes Bild von den finanziellen Wirkungen einer Versicherung zu geben.
Das läßt sich immer erst gewinnen, wenn das Gesetz geschaffen ist und
eine Reihe von Jahren in Kraft steht. Man hat sich immer auf Grund
der Statistik getäuscht, in Frankreich ist es so gegangen, und in England
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