Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

4 Das Denisthe Reich und seine einzelnen Glieder. (Jannar 10.) 
10. Januar. (Bayern.) Abgeordnetenkammer. Besprechung 
der Frage der Schiffahrtsabgaben. 
Der Verkehrsminister v. Frauendorffer gibt folgende Erklärung ab: 
„Bayern hat im Artikel 12 des Vertrages mit Preußen, Baden und Hessen 
vom 21. April 1906 anerkannt, daß die Ausführung der Main-Kanalisierung 
zwischen Offenbach und Aschaffenburg solange aufgeschoben bleiben muß, 
bis die Frage der Einführung der Schiffahrtsabgaben auf dem Rhein und 
Main im Sinne des Schiffahrtsabgabengesetzes geregelt sein wird. Preußen 
hat zur Regelung der Frage im Bundesrat im Februar 1909 einen Ent- 
wurf eines Reichsgesetzes vorgelegt, das die Frage auf Grund einer Finanz- 
gemeinschaft lösen will. Die bayerische Regierung hat sich an der Beratung 
dieser Frage beteiligt und sich der preußischen Auffassung angeschlossen, daß 
die Heranziehung der Wasserstraßen zur Deckung der Kosten nicht umgangen 
werden kann. Sie ist zur Ueberzeugung gelangt, daß der preußische Vor- 
schlag ein großzügig gedachtes nationales Programm darstellt. Ueberzeugt 
von der Nützlichkeit eines einheitlichen Betriebes auf den Wasserstraßen wird 
die bayerische Regierung im IJnteresse Bayerns ihren ganzen Einfluß auf- 
bieten, um eine entsprechende Lösung der Frage auf Grund des preußischen 
Entwurfes herbeizuführen. Die Tatsache, daß die bayerische Regierung an 
der Lösung mitgearbeitet hat und weiter mitarbeitet, zeigt schon, daß sie 
die vorgebrachten Bedenken staatsrechtlicher Natur nicht teilen kann. Im 
übrigen kommen die Schiffahrtsabgaben den Interessenten selbst zugute. 
Auch in England müssen die Abgaben von den unmittelbar Interessierten 
geleistet werden. Es ist unrichtig, wenn nun wieder behauptet wird, daß 
Preußen sich von eisenbahnfiskalischen Gründen habe leiten lassen. Ich muß 
dem entgegentreten: Preußen ist aus rein nationalen Gründen so vor- 
gegangen. Auch die Bemerkung des Abg. Dr. Onidde, daß Preußen nicht 
bundesfreundlich gehandelt habe, muß ich zurückweisen. Mich über die 
Denkschrift kritisch zu äußern, steht mir nicht zu. Die Regulierung des 
Mains, nach der die Abgeordneten Dr. Pichler und Dr. Hübsch gefragt haben, 
wird bis zum Herbst 1910 bis hinauf gegen Bamberg vollendet werden. 
Es besteht die Hoffnung, daß bis zum Jahre 1912 die Kette bis Bamberg 
gelegt sein wird und der Betrieb bis dahin durchgeführt werden kann. Es 
wird möglich sein, den Betrieb etappenweise weiterzuführen.“ 
10. Jannar. (Reichstag.) Denkschriften über die Entwicke- 
lung der Schutzgebiete im Jahre 1908.9. 
1. Südwest-Afrika. Hier ist eine erfreuliche Beruhigung der 
Stämme eingetreten. Die Ovambos haben sich ruhig gehalten und der 
Stamm hat sich mit der Anwerbung von Arbeitern einverstanden erklärt. 
Die Hottentotten überfielen zwar noch eine Anzahl Farmen, aber ihnen ist 
von den Behörden sofort erfolgreich entgegengetreten worden. Mit be- 
sonderer Anerkennung wird das freundnachbarliche Verhalten der Kappolizei 
hervorgehoben. Die weiße Zivilbevölkerung hat sich um 1177 Personen auf 
9410 vermehrt. Bemerkenswert ist vor allem die Zunahme der Frauen. 
Die gesamte farbige Bevölkerung des Schutzgebietes einschließlich Amboland 
und Caprivizipfel wird auf 63117 Kopf geschätzt gegen 59213 im Vorjahre. 
Die Farmer, die ihre Eingeborenen zweckmäßig zu behandeln wissen, haben 
kaum über Arbeitermangel zu klagen. Der Gesundheitszustand war nicht 
besonders gut. Infolge großer Niederschläge griff die Malaria sehr um 
sich. In der Verwaltung sind mehrfache Aenderungen vorgenommen worden. 
Die Ausdehnung der Diamantfelder hat eine wesentliche Verstärkung der 
Polizeibeamten zur Folge gehabt. Im Berichtsjahre ist auch eine Kriminal-
	        
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