Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Das Denisqhe Reich und seine einzeluen Glieder. (Januar 10.) 5 
polizei errichtet worden, die hauptsächlich auf Diamantendiebstähle und 
Schmuggel zu achten hatte. Die Selbstverwaltung soll innerhalb der Grenzen 
der Gemeindeverbände und im weiteren Bereiche der Bezirksverbände aus- 
geübt werden. Es ist daher das Institut des Gemeinderates und des Bezirks- 
rates errichtet worden. Die Verordnung über die Selbstverwaltung ist an 
verschiedenen Plätzen auf lebhafte Opposition gestoßen. Es wurden weiter- 
gehende Befugnisse verlangt und ein anderes Wahlverfahren zum Landes- 
rat, bei der Gerichtsbarkeit traten keine bemerkenswerten Erscheinungen 
hervor. Die Einnahmen des Schutzgebietes sind wesentlich gestiegen und 
namentlich die Diamantenausfuhrzölle haben erhebliche Zolleinnahmen er- 
bracht, so daß insgesamt bei den Einnahmen ein Ueberschuß von etwa 
750000 Mark gegenüber dem Voranschlag vorhanden ist. Das Wirtschafts- 
leben zeigte viel Stetigkeit, wenn auch hier und da Rückschläge nicht aus- 
blieben. Zur Feier des 25 jährigen Bestehens der Kolonie wurde eine 
Ausstellung der im Lande gewonnenen Produkte vorgenommen. Sehr aus- 
führlich wird dann in der Denkschrift über den Bergbau und den Minen- 
betrieb und ganz besonders über das Diamantenschürfen gesprochen. An 
der ganzen Küste bis nach dem Oranjefluß finden sich in dem Sande 
Diamanten. Die Diamanten sind durchweg schön auskristallisiert, meist 
wasserklar und sind von hervorragender Güte. Während auf den Feldern 
bei Lüderitzbucht nur kleinere Steine bis zum Gewicht von 1 Karat ge- 
funden wurden, liefern die südlicher gelegenen Lagerstätten größere mehr- 
karätige Diamanten. Um einer Zersplitterung in viele kleine Gesellschaften 
vorzubeugen, wurde das gesamte in Frage kommende Gebiet für das weitere 
Schürfen gesperrt und der Deutschen Rolonialgesellschaft eine Sonder- 
berechtigung erteilt, aus der der Fiskus erhebliche Vorteile zieht. Vor 
Eintritt der Sperre waren noch an vier andere Gesellschaften Abbaurechte 
verliehen worden. Der gesamte Diamantenhandel ist, wie bekannt, zu einem 
Monopol der Regierung gemacht worden. Gewonnen wurden seit Ende 
August bis Ende Dezember 1908 39275 Karat im Werte von rund 1½ Million 
Mark. Bei zwei Gesellschaften wurden täglich rund 300 Karat gefördert 
mit verhältnismäßig geringen Arbeitskräften. Auch der Kupfererzbau hat 
Fortschritte gemacht und der Hüttenbetrieb hat sich gut entwickelt. Der 
gesamte Privathandel hatte in der Kolonie im Jahre 1908 einen Wert von 
über 35 Millionen Mark und hat gegenüber dem Vorjahre um fast 
8 Millionen Mark zugenommen. Den größten Anteil an dem Handel hat 
die Einfuhr mit 27¼ Millionen Mark. Die Ausfuhr betrug fast 8 Millionen 
Mark. Die Kupfererzausfuhr betrug über 5 Millionen Mark, die Blei- 
ausfuhr fast 1 Million Mark. Auch die Ausfuhr von Wolle und Straußen- 
federn ist gestiegen. 
2. Das ostafrikanische Schutzgebiet. Die Meinungsverschieden- 
heiten mit den kongolesischen Grenzbehörden über die Besetzung des Nord- 
u fers des Moulerosees in Ruanda fanden Mitte Februar 1909 durch ein 
provisorisches Abkommen der örtlichen Vertreter ihr vorläufiges Ende. Das 
Verhältnis der Behörden zu den Eingeborenen war ein durchweg gutes. 
Eine weitere erfreuliche Erscheinung ist die im Berichtsjahre in Fluß ge- 
kommene Rückwanderung Eingeborener aus portugiesischem Gebiet, welche 
sich seit Oktober 1908 auf schätzungsweise 10000 Köpfe beläuft. Auf der 
anderen Seite ist die schon in den Jahren 1906 und 1907 beobachtete Ab- 
wanderung der Bevölkerung aus dem Norden des Schiratibezirks (am Öst- 
ufer des s Viktoriasees) auf englisches Gebiet auch im Berichtsjahre zu ver- 
zeichnen gewesen. Die Ursache dieser Abwanderung dürfte darin zu finden 
sein, daß die englischen Behörden sich fast bis zum Jahresschlusse in Sachen 
der Schlafkrankheit abwartend verhielten, während deutscherseits in der
	        
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