Das Denische Reit und seine einzelnen Glieder. (Februar 19.) 145
künder, heute dem Ausführer des Programms Mißachtung und Bedrohung
von Reichseinrichtungen zum Vorwurfe gemacht. Das Spiel ist zu durch-
sichtig, um nicht erkannt zu werden. Meine Herren! Ich wiederhole, die
Verbündeten Regierungen denken nicht daran, am Reichstagswahlrecht zu
rühren. Das Reich hat sich mit diesem Wahlrecht sein Haus eingerichtet
und trotz aller Mißstände unseres öffentlichen Lebens ist mein Glaube an
die Kraft und an die Zukunft des deutschen Volkes viel zu fest gegründet,
als daß ich nicht davon überzeugt wäre, es werde diesen Bau unversehrt
erhalten.
Gestatten Sie mir eine kurze Abschweifung. Meine Herren! Wer
es nicht begreifen kann, daß ich als preußischer Ministerpräsident die
preußischen Beamten gegen ungerechtfertigte Angriffe und Verdächtigungen
in Schutz genommen habe, der hat keinen Sinn für staatlichen Organis-
mus, keinen Sinn für reale Notwendigkeiten. Ich möchte ihn weltfremd
nennen, wie mich der Herr Abg. Frank genannt hat, und wer darüber
hinweghört, weil es ihm nicht in seinen Kram paßt, daß ich Parteiendienst
der Beamten verurteile und auch durch die Tat zu verurteilen wissen
werde, mit dem kann ich nicht diskutieren. Bureaukratisches Regiment würde
uns zur Versteinerung führen. Wer ist es denn aber, der so gerne und
so häufig bureaukratisteren will? Meine Herren! Ich habe die Ehre, nun
bald drei Jahre mit Ihnen zu arbeiten. Bei den mannigsachen sozial-
politischen Fragen, die wir miteinander erörtert haben, habe ich immer
wieder vor der trügerischen Hoffnung gewarnt, die Welt mit Gesetzes-
paragraphen und dem Heer der hinter ihnen stehenden Beamten zu ver-
bessern. Ich habe beispielsweise bei den Arbeitskammern, die Sie neulich
wieder beraten haben, auf das schärfste den Standpunkt vertreten, daß ich
mir von einem Zusammenarbeiten der beteiligten Berufsstände, also von
der Arbeit des Volkes selbst viel größere Vorteile verspreche als von aller
Reglementiererei, die immer unpraktisch ist und schließlich dazu führen
muß, hinter jeden Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Polizisten zu stellen.
Und wenn ich in meiner Abgeordnetenhausrede hervorgehoben habe, daß
es die unteren Gliederungen des Staates und Volkes sind, in denen die
größte wirtschaftliche und geistige Kulturarbeit geleistet wird, dann habe
ich damit die Ueberzeugung ausgesprochen, daß wir nur in freier und
freiwilliger Tätigkeit des Volkes selbst vorwärts kommen. Wer das Bureau-
kratismus neunt, der weiß mit Fremdwörtern nicht Bescheid. (Große
Heiterkeit und Zustimmung.) Meine Herren! Damit lassen Sie mich
schließem. So gut wie unverwüstliche Streitlust zum Leben des Deutschen
gehört, ebenso kann er ohne unverwüstlichen Idealismus nicht bestehen.
Ich halte es vor allem mit dem Idealismus. Ich baue fest auf die idealen
Kräfite des deutschen Volkes, die sich unter dem realen Drucke unserer
nationalen Bedürfnisse steigern und das Feld behaupten werden.
Die Besprechung der Interpellation wird beschlossen von den
Sozialdemokraten, Freisinnigen, Nationalliberalen und einem Teil des
Zentrums. Das Wort erhält zunächst
Abg. Gröber (3.): Die preußische Landesangelegenheit ist nicht
gleichgültig für das ganze Reich. Wir haben doch erst vor wenig Wochen
über Maßregelungen von preußischen Beamten infolge preußischer Be-
stimmungen hier verhandeln müssen. Die Aeußerungen des Reichskanzlers
im Abgeordnetenhause haben bei manchen meiner politischen Freunde
schwere Besorgnisse hervorgerufen. Heute hat der Reichskanzler die Haupt-
besorgnis aus dem Wege geräumt durch die Mitteilung, daß die Ver-
bündeten Regierungen nicht daran denken, an dem Reichstagswahlrecht zu
rütteln. Trotzdem geben die Ausführungen des Reichskanzlers in ihrer
Europäischer Geschichtskalender. UI. 10