148 Das Veische Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 22.—24.)
Surtaxe, die deutschen Waren gehen in Kanada zu den Sätzen des
Maximaltarifs ein, sie bleiben differen ziert gegenüber Großbritannien und
einigen Kolonien und auch gegenüber Frankreich und den in gleicher Weise
meistbegünstigten Ländern. Diese Begünstigung macht indessen für die
Mehrzahl der Artikel nicht mehr als 2½ Prozent aus. Als Gegenkonzession
für die Einräumung des kanadischen Generaltarifs haben wir die Zoll-
vergünstigungen der Handelsverträge für 25 Nummern unseres Tarifs ge-
währt, so für Weizen, Obst, Fleisch, Malz und Mehl. Das Abkommen
stellt sich dar als ein Provisorium; wir hoffen, daraus zu einem end-
gültigen Vertrage zu gelangen, und wir hoffen, damit unserer Industrie
einen Dienst erwiesen zu haben, wenn ich auch dem Abg. Stresemann zu-
gebe, daß ein schattenloser Lichtblick auch dieser Erfolg nicht ist. Der Abg.
Mayer-Kaufbeuren hat betont, daß es viel zur Besserung unserer Handels-
beziehungen zum Auslande beitragen würde, wenn wir uns in Bezug auf
die Produktion von Baumwolle und Kupfer vom Auslande unabhängiger
machen könnten. Ich freue mich sehr darüber; ich habe vor Jahren einmal
außerhalb des Hauses eine ähnliche Anregung gegeben. Es besteht bereits
eine internationale Vereinigung zur Förderung des Baumwollbaues außer-
halb der Vereinigten Staaten. Außerdem ist unsere Kolonialverwaltung
im Verein mit dem Kolonialpolitischen Komitee bestrebt, den Baumwoll-
bau in unseren Kolonien zu fördern. Aber trotz aller Mühe und zweifel-
losen Erfolgen ist der Zeitpunkt, wo wir mit unserer Baumwolle den Ver-
einigten Staaten den Rang streitig machen werden, noch fern.
23. Februar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Bei
der Etatberatung (Ministerium des Innern, Ministergehalt) geht
Abg. Dr. Bell (Z.) auf die Broschüre „Fürst Bülow und seine
Zeit“ von „Germanicus“ ein,
die trotz ihrer heftigen Ausfälle gegen das Zentrum und die
katholische Kirche in der ministeriellen „Berliner Korrespondenz“ empfohlen
worden war und für deren Zusendung sich der Minister des Innern an-
erkennend bedankt hatte. Abg. v. Pappenheim (K.) verurteilt diesen „Miß-
griff“ amtlicher Empfehlung eines Buches, das in seiner zweiten Auflage
auch gegen die konservative Partei heftige Schmähungen brachte.
22.—24. Februar. Besuch des Grafen Ahrenthal in Berlin.
Das offiziöse Communiqué sagt über seine Unterredung mit dem
Reichskanzler: „Anknüpfend an ihre Unterredungen vom vorigen Herbste
waren sie in der Lage festzustellen, daß ebenso Deutschland wie Oesterreich-
Ungarn die Erhaltung des status quo im nahen Orient anstreben und die
weitere Konsolidierung der inneren Verhältnisse des ottomanischen Reichs
mit ihren Sympathien begleiten. v. Aehrenthal und v. Bethmann Hollweg
verblieben bei ihrer ruhigen Beurteilung der nächsten Zukunft sowohl was
die Lage in Europa im allgemeinen als die Entwicklung im nahen Orient
anbelangt. Diese Zuversicht stützt sich vor allem auf das Bundesverhältnis
beider Staaten zu Italien sowie auf die günstige Entwicklung der Be-
ziehungen Deutschlands und Oesterreich-Ungarns zu den anderen Mächten,
welche die so notwendige Erhaltung der Eintracht unter den Mächten wirk-
sam zu fördern geeignet ist.“
Unter der Ueberschrift „Nachklang“ veröffentlicht die offiziöse Süd-
deutsche Reichskorrespondenz folgende Berliner Zuschrift über den Besuch
des Grafen Aehrenthal: „Die Aussprache zwischen dem Reichskanzler und
dem Grafen v. Aehrenthal über die schwebenden Fragen der Politik ist