152 JNaoas Neutsche Reich und seine einzelnen Slieder. (März 1.)
lose gesteigert werden, denn gerade der Mittelstand hat unter ihnen zu
leiden. Da muß die Erbanfallsteuer aushelfen. Die Gestaltung hängt
von der politischen Zusammensetzung des Reichstages ab. Wenn die Sozial-
demokratie nicht eine ausschlaggebende Stellung im Reichstag erhält, be-
stehe keine Gefahr für eine unzulässige Ausdehnung der Erbschaftssteuer.
Aber durch Ablehnung der Erbschaftssteuer haben Sie auf der Rechten nur
die Geschäfte der Sozialdemokratie gefördert. Sie haben die Einmütigkeit
der bürgerlichen Parteien zerstört, und die Folge davon haben Sie bei
den Nachwahlen und bei den Landtagswahlen in Sachsen gesehen. Ueberall
hat die Sozialdemokratie Vorteil von der Ablehnung der Erbschaftssteuer
gehabt. Hätten Sie auf der Rechten eine Politik des Mittelstandes und
des Bauernstandes getrieben, dann hätten Sie die Erbschaftssteuer an-
nehmen müssen. In der Ansiedlung von Bauern müssen wir in viel
schnellerem Tempo vorgehen. Die Restgüter müssen aufgeteilt werden und
zur Ansiedlung von Bauern benutzt werden. Die Restgüter sind ein
Schaden für das Deutschtum und die Entwicklung.
Abg. Fuhrmann (Nl.): In der „Deutschen Tageszeitung“ ist dem
Grafen Caprivi immer vorgeworfen worden, daß er ein Mann ohne Ar
und Halm sei. Nun, wir haben nationalliberale Hofbesitzer als Reichstags-
kandidaten vorgeschlagen, aber der Bund der Landwirte hat andere Per-
sonen vorgeschlagen und was für welche: den früheren Bankbeamten und
jetzigen Direktor des Bundes der Landwirte. Herrn Diederich Hahn, Herrn
Zeitungsverleger Bruhn, Herrn Amterichter Vahrenhorst usw. Sind das
etwa Leute, die von der Landwirtschaft etwas praktisch verstehen? Ein
großer Kampf dreht sich nun um die Reioserbschaftssteuer, für die zu
stimmen Herr Hahn Abgeordnete dadurch abgehalten hat, daß er ihnen
drohte, sie würden die Folgen zu spüren haben. Die Erbschaftssteuer, die
jetzt den Familiensinn vernichten soll, ist einst von der „Deutschen Tages-
jeitung verlangt worden und auch im konservativen Handbuch findet sich
eine Ablehnung der Reichserbschaftssteuer, aber heute wird nun ein ge-
wissenloser Kampf gegen uns geführt, weil wir für die Erbschaftssteuer
gestimmt haben. Der Bund der Landwirte bringt von Zeit zu Zeit ein
großes Schlagwort. Einst war es ein Antrag Kanitz, dann das Börsen-
gesetz, dann die Margarine, dann das Pökelfleisch und jetzt auch das Schlag-
wort Erbschaftssteuer. Für die Einlassung des amerikanischen Pökelfleisches
haben damals auch der größte Teil der Konservativen und das Zentrum
gestimmt. In einzelnen Wahlkreisen Hannovers ist bereits deutlich zu erkennen,
daß Abmachungen zwischen dem Bund der Landwirte und den Welfen
gegen die Nationalliberalen zum Teil schon getroffen, zum Teil aber be-
absichtigt sind. Es sind bereits Resolutionen angenommen, in denen er-
klärt wird, daß die Abag. Wachhorst und Arning die Unterstützung des
Bundes der Landwirte auch in Stichwahlen nicht wieder bekommen würden.
Das ist also Herr Hahn, der Schüler Bismarcks, der jetzt die Wahlkreise
den Welfen ausliefern will. Bismarck würde sich im Grabe umwenden,
wenn er das hören würde. Jetzt wirft uns Herr Hahn vor, wir schlössen
Bündnisse mit den Sozialdemokraten ab. Wir denken nicht daran, und
wo entgegengesetzt gehandelt wird, da mißbilligen wir es, sowohl in der
Parteileitung wie in der Fraktion. Aber wie hat der Bund der Land-
wirte gehandelt? In Neustadt hat der Bund der Landwirte wohl eine
Parole für den Nationalliberalen ausgegeben. Da ist aber erst der National-
liberale so schlecht gemacht worden, daß die Bündler dann für den Sozial-
demokraten stimmten, was nachgewiesen worden ist. Der frühere Minister
v. Möller ist durch die Bündler zu Fall gekommen, und an seiner Stelle ist ein
Sozialdemokrat in den Reichstag gekommen. Die Debatte war nötig, um ein-