Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Das Beische Reich und seine einzelnen Glieder. (März 1.) 153 
mal mit Herrn Hahn abzurechnen, der die Schuld dafür trägt, daß unter die 
bürgerlichen Parteien diese Zersetzung gekommen ist. Wenn der nächste Reichs- 
tag eine Mehrheit bekommen sollte, mit der nicht regiert werden kann, dann 
trägt die Schuld nur Herr Hahn. Wir werden den Kamps, der uns aufgezwungen 
ist, durchsetzen. (Zurufe rechts: Wir auch!) Wir werden den Kampf aufnehmen 
in der Ueberzeugung, daß unsere Wähler Verständnis für die Gründe haben 
werden. Wir glauben aber auch, daß auf der Rechten die Erkenntnis wachsen 
wird, daß mit der Politik, die Stadt und Land trennt, ein Ende gemacht werden 
muß. Sie haben den Fürsten Bülow gestürzt, der ein warmes Herz für 
die Landwirtschaft hatte. Sie werden das noch so weit treiben, daß eine 
Mehrheit im Reichstag zustande kommt, die landwirtschaftsfeindlich ist. 
Sie werden der Totengräber der Landwirtschaft werden. Herr v. Kardorff 
hat noch kurz vor seinem Tode gesagt, daß nicht wegen, sondern trotz des 
Bundes der Landwirte die Landwirtschaft floriere. 
Abg. Heim (3.): Ich will über den Deutschen Bauernbund sprechen. 
Ueber seine Mitgliederzahl weiß man nichts. Gesagt hat er auch noch nicht 
viel. So ein Rummel kostet doch Geld. Das viele Reden und die Blätter 
kosten doch Geld, und da keine Mitglieder da waren, muß doch ein Kapi- 
talist dagewesen sein, der einmal das Gründergeld riskiert hat. Herr 
Dr. Böhme hätte hier erklären müssen: Wir nahmen vom Hansabund kein 
Geld und nehmen auch kein Geld von ihm. Ich würde im Gegenteil eine 
Korruption erblicken. (Zuruf: Bauernfängerei! Unruhe b. d. Nl.) Gewiß, 
in der Gründung des Bauernbundes selbst sehe ich nur eine Durchführung 
einer politischen Ansicht. Aber das Wie ist die Frage. (Zuruf: Fränkischer 
Bauernbund!) Gewiß, ich gebe zu, der ist übergetreten mit angeblich 
10000 Mitgliedern. Da können Sie ruhig eine Null am Ende streichen, 
wie bei der Mitgift auf dem Lande. Das Programm des neuen Bundes 
ist ja auch danach. Wenn die Erbschaftssteuer der einzige Grund ist, die 
neue Vereinigung ins Leben zu rufen, so ist es doch klar, daß die ganze 
Gründung nur politischer Natur ist, und bei alledem sind die Liberalen 
kläglich zusammengeschmolzen. Jetzt, wo Herr Posadowsky im „März“ 
seinen Arrikel veroffentlicht und sagt, der Reichstag habe in nationalen 
Dingen nie versagt, da habe ich mich wohl erinnert an das nationale 
„Versagen“ des Zentrums, das damals voraueging. Es ist allerdings 
eine Auffassung, die der der leitenden Staatsmänner widerspricht, aber 
man weiß ja nie, wo der klügere Staatemann sitzt. Und jetzt schreien 
die Nationalliberalen, die überall unter die Räder kommen, und wollen 
anderen Leuten das Haus anzünden, und dabei brennt ihr eigenes 
schon lange. Nur eine entschiedene Politik hilft, und die wollen Sie nicht. 
Also werden Sie von rechis und links zerrieben. In der Landarbeiter- 
frage bin ich mit Herrn Böhme einverstanden. Nur die Aussichtslosigkeit 
der Landarbeiter, der 6⅛/ Millionen, schaffen das Elend. Die innere 
Kolonisation ist nötig, aber nicht mit Privarkapitalien, sondern von Staats 
wegen. Es muß neue Freibauern geben. Das muß auf gesetzgeberischem 
Wege geschehen, wie wir es jetzt in Bayern mit der Aufteilung des großen 
Grundbesitzes mit einer Länderbank machen wollen. (Zurufe: Das machen 
wir ja in Preußen auch.) Nein, so wie Sie es in Preußen machen, das 
gefällt mir nicht. Ich bedauere nur, daß Herr Böhme in diesem berechtigten 
Streben keine Leute hinter sich hat. Der Bauernbund ist mir nur ein Be- 
weis, daß unsere Zollreform und Tarifpolitik jetzt schon in diesen Saal 
hineinspielt. Aber der Bauernbund ist nur gegründet, um Zwietracht zu 
säen, und dieses Zwietrachtsäen bedaure ich. 
Abg. Hahn (K.,: Herr Fuhrmann hat mir vorgeworfen, ich sei 
daran schuld, wenn jetzt die Kämpfe unter den bürgerlichen Parteien ent-
	        
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