166 Das Vesche Reich und seine rinzelnen Slieder. (März 7.)
für etwaige Abmachungen unter einzelnen Mächten. Unser gesetzlich fest-
gelegter Flottenbau ist ausschließlich nach unserem eigenen Bedürfnis be-
messen und stellt keinerlei Drohung gegen irgend eine Nation dar, wie
wiederholt von uns betont ist.“
7. März. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Fortsetzung
der zweiten Beratung des Etats der Handels= und Gewerbeverwal-
tung: Titel „Ministergehalt“.
Abg. Dr. Schröder-Kassel (Nl.): Der Hansabund ist infolge der
Vorgänge bei der Reichsfinanzreform gegründet worden. Man muß ihm
recht geben, daß Handel, Gewerbe und Industrie zu geringe Vertretung
in den Parlamenten finden. Es wird Aufgabe des Hansabundes sein, hier
die bessernde Hand anzulegen und vor allen Dingen Männer aus Handel,
Industrie und Gewerbe herauszufinden. Es ist ja keine Kleinigkeit, Wahl-
kämpfe durchzufechten. Manche Unannehmlichkeit muß man da in den
Kauf nehmen, und davor schrecken viele Herren aus Handel, Gewerbe und
Industrie zurück. Hier muß der Hansabund Wandlung schaffen. Der
Hansabund stellt sich in keiner Weise in einen Gegensatz zur Landwirtschaft.
In allen Reden auf Versammlungen des Hansabundes wurde stets ein
vornehmer Ton angeschlagen, wenn man die landwirtschaftlichen Verhält-
nisse berührte. Die Töne, die man im Zirkus Busch dagegen anschlug,
als man den Hansabund nur erwähnte, stehen im schreienden Gegensatz
dazu. Als in einem Ort an der Nahe eine Ortsgruppe sich bildete, er-
klärten die Angehörigen des Bundes der Landwirte, bei den Vorstands-
mitgliedern dieser Ortsgruppe auch nicht für einen Groschen mehr kaufen
zu wollen. Es blieb den Herren nichts weiter übrig, um nicht ihre eigene
Existenz aufs Spiel zu setzen, als ihre Aemter niederzulegen. Wenn man
diese Tatsache sich vor Augen hält, muß man sich doch sagen, ob dieser
Terror, der hier vom Bund der Landwirte ausgeübt wird, auch nur um
ein Haar besser ist als der Terror, den man der Sozialdemokratie vor-
wirft. Nun zur Sozialpolitik! Die Bedrohung unseres Handwerks und
unserer Industrie durch die Sozialpolitik ist nicht zu leugnen. Ich rede
dabei nicht von der Hinterbliebenenversicherung und der Pensionsversicherung
der Privatbeamten oder der Hinterbliebenenversicherung, die den Arbeitern
in der Botschaft Kaiser Wilhelms verheißen ist. Es sind aber nicht sowohl
die hieraus resultierenden Lasten, die in Industrie und Handwerk Be-
unruhigung und Mißstimmung erzeugen. Viel mehr tut das das Ein-
greifen des Staates in den Gewerbebetrieb und die Kostspieligkeit des
Verwaltungsapparats. Vorsicht gegenüber allen neuen sozialpolitischen
Vorschlägen ist durchaus geboten im Interesse der Erhaltung der Konkurrenz-
fähigkeit unseres Gewerbes auf dem Weltmarkt. Die Inkraftsetzung des
zweiten Teils des Gesetzes zur Sicherung der Bauforderungen ist nötig.
Wir sind auch für den Vorschlag des Berliner Handelskammertages, daß
den Innungen das Recht zur Festsetzung gewisser Mindestpreise für Hand-
werkerarbeiten gegeben werden soll — vorbehaltlich der Zustimmung der
Aufsichtsbehörde natürlich. Der Ministerialerlaß über die Vergebung staat-
licher Arbeiten ist ja sehr dankenswert, nur wird vielfach gegen ihn ver-
stoßen. So ist z. B. in Cassel einem Zimmermeister, der drei Jahre lang
keine Abgaben an Berufsgenossenschaft und Krankenkasse gezahlt hatte und
deshalb fruchtlos gepfändet war, eine große Staatslieferung übertragen
worden, weil er billiger war als alle andern. Das konnte er natürlich
sein, wo er die sozialpolitischen Lasten nicht zu tragen brauchte. In Breslau
wird dem Handwerk durch Vergebung behördlicher Lieferungen an die Ge-