Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Das Dernisqhe Reit und seine einzelnen Glieder. (März 8.—9.) 169 
Im Bericht werden u. a. die Wahlrechte in den wichtigsten deutschen 
und außerdeutschen Staaten einander gegenübergestellt. Von den deutschen 
Staaten hat nur Preußen öffentliche und indirekte Wahl. Geheime und 
indirekte Wahl haben Hessen, Sachsen-Weimar, Oldenburg und Anhalt. Das 
Dreiklassenwahlsystem besitzt außer Preußen nur Sachsen-Altenburg, dessen 
Wahlgesetz aber geheime Wahl vorsieht. Klassensysteme existieren sonst noch 
in einigen kleinen Staaten. Direktes, gleiches und geheimes Wahlrecht be- 
sitzen Bayern, Württemberg und Baden. Sachsen besitzt direktes, geheimes 
Pluralwahlrecht. Von den auswärtigen Staaten besitzen direktes öffent- 
liches Wahlrecht Ungarn und Dänemark, indirekte und geheime Wahl nur 
Rußland, die übrigen gleiches, direktes und geheimes Wahlrecht. Nord- 
amerika und Japan haben direktes und geheimes Wahlrecht. 
8. März. (Baden.) Erste Kammer. Das Ministerium 
v. Dusch erleidet in der Frage des Simultancharakters der Lehrer- 
seminare eine Niederlage, da das Haus den Beschluß der Zweiten 
Kammer, endlich in dieser Frage vorzugehen, gutheißt. 
8. März. (Landtags-Ersatzwahl.) In Herford-Halle- 
Bielefeld wird statt des verstorbenen freifinnigen Abg. Lorentz der 
Gutsbesitzer Meyer zu Jerrendorf-Theesen (Nl.) gewählt. 
8. März. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Der Handels- 
minister Sydow teilt mit, daß in der nächsten Tagung ein Gesetz 
vorgelegt werden wird, das für alle Gemeinden über 10000 Ein- 
wohner den Zwang zur Errichtung von Fortbildungsschulen bringt. 
9. März. (Reichstag.) Die Mannesmann-Angelegenheit 
in der Budgetkommission. 
Nach dem Beschluß, die Angelegenheit nicht vertraulich zu besprechen, 
erklärt Staatssekretär v. Schön: Es wäre der Sache förderlich gewesen, 
wenn nach der Aussprache in der ersten Lesung des Plenums man über 
die Sache nicht weiter verhandelt hätte. Aber die mit leidenschaftlicher 
Heftigkeit geführte Bewegung schien die Vorstellung zu bringen, daß aus 
Nachgiebigkeit und Schwäche von seiten des Auswärtigen Amts wichtige 
deutsche Interessen ausgegeben worden seien. Deshalb mußte das Aus- 
wärtige Amt den Nachweis bringen, daß es eine wohlerwogene Haltung 
eingenommen und im vollen Umfange Privatinteressen geschützt habe, soweit 
sie berechtigt waren. Gutachten nicht genügend informierter Gelehrter 
hätten die öffentliche Meinung beeinflußt. Die starke Hilfe, die das Aus- 
wärtige Amt den Gebrüdern Mannesmann geleistet habe, sei dabei völlig 
außer Erwähnung geblieben. Man habe das Bestreben, eine schiedsrichter- 
liche Instanz in die Angelegenheit zu bringen, falsch verstanden. Es soll 
ein Ausweg gefunden werden, keine Rechtsprechung. Dem Auswärtigen 
Amt habe man Unkenntnis vorgeworfen. Man habe den Kampf gegen das 
Auswärtige Amt mit gewagten Mitteln soweit getrieben, daß sein Ansehen 
auf dem Spiele stand. Insbesondere habe man dem Auswärtigen Amt 
aus seiner öffentlichen Darstellung der Angelegenheit einen schweren Vor- 
wurf gemacht. Aber das Auswärtige Amt habe auch Reichsinteressen zu 
vertreten und deshalb mußte eine amtliche Darstellung erfolgen. Eine 
Schädigung der deutschen Interessen war selbstverständlich nicht beabsichtigt
	        
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