Das Denische KReich und seine einzelnen Glieder. (März 11.) 177
Elemente, die ihrem Mutwillen, ihrem Zerstörungstrieb, vielleicht ihrem
verbrecherischen Sinn Rechnung tragen wollen. Es können auch Gegen-
demonstrationen und Gegenrufe erfolgen, und auf Worte folgen leicht
Tätlichkeiten. Das Gesetz schreibt vor, daß gegen die Entscheidung der
unteren Behörden im Verwaltungsstreitverfahren angegangen werden kann.
In diesem Stadium ist eine Stellungnahme des Reichstages nicht angebracht.
Abg. Dr. Junck (Nl): Die Interpellation ist nur eine retrospektive
Kritik, und damit hätte man sehr wohl bis nach der Entscheidung der
obersten Instanzen warten können. Es handelt sich also nur um einen
konkreten Fall, wo zudem die obersten Instanzen noch nicht gesprochen
haben. Es lag also kein Grund vor, eine Interpellation einzubringen;
dieser Fall wird wirklich nicht dazu beitragen können, die Erweiterung des
Interpellationsrechtes, wie auch ich dies wünsche, zu fördern.
Abg. Frhr. v. Richthofen (K.): Ich kann bis auf weiteres nur an-
nehmen, daß das Verhalten der Sozialdemokraten der Polizei zum Ein-
schreiten Veranlassung gegeben hat. Ich kann der Polizei für ihr ruhiges
Vorgehen nur meine Anerkennung aussprechen. Ich kann nur hoffen, daß
sie gegen ein solches Revolurionieren der Masse vorgehen wird, wenn nötig
mit schärferen Mitteln. Ich halte die Interpellation für unbegründet.
Abg. Dr. Müller-Meiningen (Fr. Vp.): Wir meinen, daß die
Haltung der preußischen Polizei diktiert ist von Angstmeierei. Der Trep-
tower Park liegt doch an der Peripherie von Berlin. Man konnte froh
sein, daß die Versammlung vom Herzen von Berlin hinaus in die Peri-
pherie verlegt war, und durfte den Leuten das nicht erschweren. Der
Treptower Park ist eine Million Quadratmeter groß, wo von einer Ver-
kehrsstörung keine Rede sein kann. Eine Reihe von Kollegen hat fest-
gestellt, daß die Haltung der Demonstranten eine tadellose zu nennen war,
die Disziplin wurde aufrecht erhalten. Es gibt eine große Gefahr für die
öffentliche Sicherheit in Berlin, das scheint mir das System des Herrn
v. Jagow. Die Tätigkeit des Polizeipräsidenten als Erzieher des deutschen
Volkes müssen wir ablehnen, er hat sonst gerade genug zu tun, als das
Publikum schulmeistern zu wollen, wie er es tatsächlich tut. Wozu diese
Aufreizung durch solche Verbote? Wir klagen nur das System an. Die
kleinliche Nadelstichpolitik gegen einzelne politische Parteien auf dem Ge-
biete des Vereinsgesetzes muß beseitigt werden. Das deutsche Volk ist so
reif wie das englische: es braucht solche kleinliche Polizeischikane nicht mehr.
Abg. v. Dirksen (Rp.): Schon seit Jahresfrist wird von der Sozial-
demokratie das Recht auf die Straße verkündet; zahllose Versammlungen
haben stattgefunden und die Provokation der Polizei und der friedliebenden
Bevölkerung wurde ganz planmäßig betrieben. Am letzten Sonntog sollte
dieses Recht noch energischer betont werden, und da ist auch der friedlichen
Bevölkerung endlich einmal die Geduld gerissen. Neuer Gesetze bedarf es
nicht, die vorhandenen und das Reichsvereinsgesetz §7 genügen vollständig.
Im ganzen haben sich ja die Demonstranten ruhig benommen; aber diese
Demonstrationen können Aufregung in die Kreise der politischen Gegner
der Demonstranten bringen, und es können leicht Tausende von Undis-
ziplinierten hinzustoßen und alles in Frage stellen. Es war kein Spazier-
ang, sondern ein lange vorbereiteter Demonstrationszug; mit so kindischen
ezeichnungen wie Spaziergang sollte man uns nicht entgegentreten; dazu
sind die Zeiten zu ernst.
Abg. v. Czarlinski (P.): Auch meine Partei verurteilt aufs schärfste
jeden Uebergriff der Polizei.
Abg. Liebermann v. Sonnenberg (W. V.) verliest eine Er-
klärung, in der es heißt: Wir glauben, daß es die unabweisbare Pflicht
Europäischer Geschichtskalender. II. 12