Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

178 DPDas Penisqhhe Reiqh und seine einjelnen GSlieder. (März 11.) 
aller bürgerlichen Parteien wäre, einmütig dieser Gefährdung des Volkes 
entgegenzutreten. 
Abg. Heine (Sd.): Juristisch steht für uns die Sache glänzend. 
Das Verbot des Herrn v. Jagow ist absolut unhaltbar. Wenn Leute fried- 
lich und ruhig spazieren gehen, so ist das keine Versammlung, selbst dann 
nicht, wenn einmal ein Demonstrationsruf erschallt. Auch moralisch steht 
die Sache für uns günstig. Denn wir haben die Lacher für uns. Herr 
v. Jagow begann als Napoleon mit dem Stil, als befände er sich unter 
den Pyramiden: weiter kann man den Lakonismus nicht treiben. Wie 
war die Fortsetzung? Sein Lakonismus verwandelte sich in phrasenhafte 
Redseligkeit. Herr v. Jagow macht es nicht wie der Reichskanzler, dem 
vorgeworfen wurde, er hätte keine Fühlung mit der Presse. Seine Kund- 
gebungen sind weitschweifig, inhaltlos, man kann sagen: lächerlich. Nach 
ihm ist die Zahl der Demonstranten immer mehr zusammengeschrumpft; 
schließlich ist gar keiner dagewesen. Von anderer Seite werden uns Vor- 
würfe gemacht, daß wir die Sache nicht richtig angefangen haben. Kann 
man die Sache besser machen, als wenn man die Leute im März in den 
April schickt? Es ist nicht richtig, daß wir einen Geheimdienst haben. 
Unsere Organisation ist ganz öffentlich, ihre Statuten liegen gedruckt vor. 
Daß die Schuszeute, die zwei Meilen weit nach dem Großen Stern ge- 
trieben werden, sich ärgern, ist begreiflich; sie sollten sich aber nicht über 
uns, sondern über das verkehrte System ärgern, das sie dazu treibt. 
Selbst das blindwütige Einhauen der Schutzleute möchte ich enischuldigen 
und die ganze Schuld den Vorgesetzten geben. Das nächste Mal wählen 
diese Schutzleute uns, des können Sie sicher sein, bei den Landtagswahlen, 
auch bei den Kommunalwahlen. 
111. März. (Bayern.) Kammer der Abgeordneten. über 
die Außerungen des Abg. v. Oldenburg-Januschau. 
Abg. Günther kommt beim Nachtragsetat für Militärausgaben 
auf die Rede des Abgeordneten v. Oldenburg im Reichstage zu sprechen. 
Nur der Unwissenheit des Herrn v. Oldenburg und derer um ihn sei es 
zuzuschreiben, daß Herrr v. Oldenburg bei seinem Vergleich der preußischen 
Armee mit denen anderer deutscher Kontingente die bayerische Armee in 
einem Atemzuge mit der Reichsarmee nennen konnte. Vom bayerischen 
Militär-Bevollmächtigten im Bundesrat hätte man eine Zurechtweisung 
des Herrn v. Oldenburg erwartet. Kriegsminister Freiherr v. Horn gibt 
hierauf folgende Erklärung ab: Im Leben der Völker und der Heere gibt 
es glückliche und unglückliche Zeiten, ruhmvolle und ruhmlose Tage. Wenn 
nun ein Parlamentarier im Reichstag, wo sämtliche deutsche Stämme durch 
Abgeordnete vertreten sind, auf eine unglückliche Episode in der Geschichte 
eines oder des anderen Stammes aufpielt, so ist das ohne Zweifel eine 
Geschmacksverirrung und eine Entgleisung, aber im allgemeinen doch nicht 
wert, daß man sich allzusehr darüber aufregt, und darüber einen Mißton 
zwischen Nord und Süd konstruiert. Wenn der Aba. v. Oldenburg einen 
Vergleich gewählt hat, bei dem der Spottvers vom König Friedrich in der 
Reichsarmee Verwendung fand, so muß ich, wie es ja auch schon der 
Abg. Prof. Günther getan hat, doch konstatieren, daß bayerische Truppen 
bei der Schlacht von Roßbach gar nicht beteiligt waren. Diesen Umstand 
muß der bayerische Militärbevollmächtigte wohl vor Augen gehabt haben, 
und darum mag er wohl die Aeußerung getan haben, er fühle sich als 
Bayer durch die Ausführungen des Abg. v. Oldenburg nicht beleidigt. Es 
geht aber auch aus den Ausführungen dieses Herrn hervor, daß er die 
bayerische Armee von heute durchaus nicht gemeint hat. Dies muß für
	        
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