Das Veuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 12.) 17
der Ausgaben. Ausgaben, die ihrem Wesen nach unproduktiv sind, wie es der
Apparat der Staatsverwaltung ist, regen da in erster Linie zur Kürzung an.
Ueberall, nicht nur in Deutschland, bemüht man sich gegenwärtig um die Frage,
was zur Einschränkung der mit der Zeit übergroßen Verwaltungsausgaben
geschehen muß. Auch im Geschäftsleben sucht man in ähnlicher Lage zunächst
die Generalunkosten, den Personalaufwand einzuschränken. Der Minister
gibt Vergleichszahlen, wonach sich die Zahl der etatsmäßigen Beamten der
allgemeinen Staatsverwaltung in den letzten zehn Jahren um 45 Prozent
vermehrt hat, die der Eisenbahnverwaltung sogar um 85 Prozent. Noch
stärker ist der Aufwand für das Personal gestiegen, um 117 Prozent bei
der allgemeinen Staatsverwaltung und um 270 Prozent bei der Eisenbahn-
verwaltung. Der ganze Betrag unserer direkten Steuern wird durch den
Aufwand für die Beamten verzehrt, und außerdem müssen zum gleichen
Zweck noch 13.8 Millionen aus sonstigen Quellen beschafft werden. Der
Personalaufwand erfordert 55.3 Prozent des gesamten Staatsaufwands.
Diese Zahlen geben doch wohl zu denken. Die Verminderung der Gesamt-
zahl ist in diesem Hause ja auch schon früher, sowohl in der Zweiten wie
in der Ersten Kammer angeregt worden. Es hat sich dabei die Erscheinung
gezeigt, wie in der württembergischen Zweiten Kammer der Ministerpräsident
v. Weizsäcker unter allgemeinem Beifall zutreffend bemerkte, daß über den
allgemeinen Gedanken der Vereinfachung der Staatsverwaltung die Sonne
* sobald man aber an Einzelheiten geht, dann folgt der Donner. Gerade
o bei uns.
12. Januar. (Preußisches Herrenhaus.) Vor Eintritt
in die Tagesordnung gibt Präsident Frhr. v. Manteuffel das Wort
dem Präfidenten des Staatsministeriums v. Bethmann Hollweg:
Meine Herren! Seit dem Abschlusse Ihrer letzten Session ist in der
Führung der preußischen Geschäfte die Aenderung eingetreten, daß Seine
Majestät der König mich zu den Aemtern berufen hat, in denen Seine
Durchlaucht der Fürst v. Bülow neun Jahre hindurch Reich und Staat
gedient hat. Ich bitte Sie, meine Herren, versichert zu sein, daß ich nichts
unterlassen werde, um die engen Beziehungen fortzuführen, die zwischen
diesem Hause und dem Präsidenten des Königlichen Staatsministeriums
stets bestanden haben. Ich bitte Sie, mir in diesen Bemühungen Ihre
Unterstützung nicht fehlen zu lassen.
12. Januar. (Reichstag.) Interpellation wegen der Ver-
setzung von Reichsbeamten aus Kattowitz, die dort bei den Stadt-
verordnetenwahlen für polnische Kandidaten gestimmt hatten.
Zwei ziemlich gleichlautende kurze Interpellationen waren am
14. Dezember von dem Abg. Horn (3.) und am 15. Dezember von
Brandys (P.) und Genossen eingebracht worden.
Als Sprecher des Zentrums begründet Graf Oppersdorff die
Interpellation: Am 9. und 10. November vorigen Jahres fanden die Haupt-
und am 29, die Stichwahlen zur Stadtverordnetenversammlung in Katto-
witz statt. In Verfolg derselben fanden Maßregelungen von Reichsbeamten
statt. Es standen sich hier Hakatisten und Sozialdemokraten, andererseits
Zentrum und Polen gegenüber. Die gemaßregelten Beamten waren zweifel-
los mittelbare Reichsbeamte. Die Vorschriften des Reichsbeamtengesetzes
sind überaus dürftig in Bezug auf Tatbestände und Vergehungsbegriffe;
lediglich § 10 gibt hier einigen Anhalt. Mit lakonischer Kürze wird hier
das ganze „dienstliche und außerdienstliche“ Verhalten des Beamten zum
Europäischer Geschichtskalender. Ul. 2