Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Das Veische Reich und seine einjelnen Glieder. (Mai 10.) 279 
unsere Zustimmung geben, so tun wir es in dem Bertrauen, daß der 
Bundesrat nach Recht und Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person von 
ihnen Gebrauch machen wird. Das Gesetz bietet so viele Vorteile, daß wir 
ihm zustimmen können im Interesse der Industrie, des Handels und der 
deutschen Landwirtschaft. Unsere Bedenken und Wünsche stellen wir zurück 
in der Erwägung, daß es sich hier um einen nationalen Schatz handelt, 
den wir alle bewahren wollen. 
Abg. Bärwinkel (Nl.): Bei der Kaliindustrie liegen ganz außer- 
gewöhnliche Verhälltnisse vor, die eine gesetzliche Regelung verlangen. Diese 
außergewöhnlichen Verhältnisse liegen in der natürlichen Monopolstellung 
unserer Kaliindustrie. Daran ist nach dem vorzüglichen Vortrage des 
Professors Beyschlag nicht zu zweifeln. Diese Monopolstellung bedeutet den 
Besitz eines großen Nationalvermögens, das zu bewahren eine Notwendigkeit 
ist. Wir müssen es verhindern, daß ein so kolossales Vermögen verschleudert 
wird. Eine solche Verschleuderung liegt schon in einem verhältnismäßig 
geringen Preis. Zu diesem Preise gehören auch die Schmidtmannpreise. 
Wenn dieser trotz der niedrigen Preise große Gewinne erzielt hat, so liegt 
das daran, daß er mit niedrigen Gestehungskosten arbeitet und seine Pro- 
duktion nicht so zurückhielt wie die andern. Man sagt, je billiger ge- 
liefert wird, um so größer der Absatz. Das ist richtig, es ist aber nicht 
zu übersehen, daß diese Art des Absatzes schließlich zu dem rücksichtslosesten 
Konkurrenzkampfe und zu Raubbau führt. Dieser ist auch nur eine Ver- 
schleuderung des Nationalvermögens. Schwache Werke müssen unterliegen 
und Arbeiter müssen entlassen werden. Deshalb haben wir uns trotz 
schwerer Bedenken entschlossen, die Frage der Notwendigkeit einer gesetzlichen 
Regelung zu bejahen. Der Gedanke eines Produktions= und eines Handels- 
monopols müßte schon deshalb fallen gelassen werden, weil die Ent- 
schädigungssumme, die das Reich zu zahlen hätte, eine enorm hohe und 
ebenso hoch das Risiko wäre. Wir hatten zu wählen zwischen einer Kon- 
tingentierung und der Zwangsvertriebsgemeinschaft. Die Lösung des Re- 
gierungsem wurfs war eine glücklichere als die vorliegende. Es ist zu be- 
auern, daß der Antrag auf eine Zwangsvertriebsgemeinschaft für das Aus- 
land zurückgezogen worden ist. Nachdem dies aber geschehen ist, müssen 
wir uns mit dem Kontingentierungsgedanken befreunden. Wir akzeptieren 
das Gesetz, weil nichts Besseres zu erreichen ist. 
Nach langer Debatte, bei der auch der sozialdemokratische Abg. Emmel 
für die Vorlage eintritt, wird § 1 in der Kommissionsfassung angenommen. 
Ebenso werden die anderen Paragraphen mit kleinen Abänderungen an- 
genommen und darauf in dritter Lesung das Gesetz sofort en bloc ohne 
Diskussion verabschiedet. Darauf verliest der Reichskanzler die kaiserliche 
Botschaft, die den Reichstag bis zum 8. November vertagt. 
10. Mai. (Berlin.) Unterzeichnung des Vertrages zwischen 
dem Reichskolonialamt und der deutschen Kolonialgesellschaft für 
Südwestafrika. 
Seine Grundzüge enthalten folgende Bestimmungen: „Der Fiskus 
empfängt 31 1½ Prozent Beteiligung an den von der Diamantengesellschaft 
erzielten Gewinnen und zwar nach einer Vorzugsdividende für die Anteils- 
eigner von 6 Prozent. Die Sperre wird über den 1. April 1911 hinaus 
verlängert. Für die nach diesem Termin gefundenen Diamantenfelder und 
andere Mineralgebiete ist die Diamantengesellschaft mit 50 Prozent zu be- 
teiligen, während der Fiskus oder andere etwa entstehende Gesellschaften 
mit den anderen 50 Prozent zu beteiligen sind. Vertragsmäßig ist ge-
	        
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