Das Deessche Reich und seine eintelnen Glieder. (Januar 15.) 29
wie es wünschenswert wäre. Es muß erwogen werden, ob darum nicht ein
Stellvertreter für seine Geschäfte in Preußen zu ernennen wäre. Unsere
Stellung zur Wahlrechtsänderung haben wir schon früher kundgegeben. Dem
haben wir nichts hinzuzufügen. Die Finanzreform legt uns nahe, von
neuem zu betonen, daß die indirekten Steuern dem Reich und die direkten
Steuern den Einzelstaaten auch weiter zustehen müssen. Die direkten Steuern
sind unbedingt notwendig für die Einzelstaaten. Der preußischen Regierung
kann ich den Vorwurf nicht ersparen, daß sie für die Verbreitung dieses Ver-
ständnisses im Volke nichts getan hat. Die Verhetzung der Bevölkerung
hätte dann nicht soweit getrieben werden können. — Der Redner bespricht
dann im einzelnen den Etat. Es werde zu prüfen sein, ob nicht in der
Bergverwaltung Mängel vorhanden seien. Die Gehaltsaufbesserungen haben
die Finanzlage ungünstig beeinflußt. Wir haben das möglichste für die
Beamten getan. Mögen auch die Beamten es an treuer Pflichterfüllung
nicht fehlen lassen. An den Schiffahrtsabgaben halten wir unter allen Um-
ständen fest. Die Entscheidung über diese Frage muß jetzt fallen. Hic
Rhodus. hic salta! Wir werden, wie bei der Kanalvorlage, hier mit eiserner
Konsegenz vorgehen. Im übrigen hoffen wir, daß wir nicht durch neue
Steuern, sondern durch Hebung der Betriebsverwaltungen und durch Spar-
samkeit wieder zu gesunden Finanzverhältnissen kommen.
Finanzminister Frhr. v. Rheinhaben: Ich will auf die Reichs-
finanzreform auch heute nicht materiell eingehen. Der Vorwurf, daß die
preußische Regierung an der Verteuerung der Gebrauchsgegenstände durch die
Reichsfinanzreform schuld sei, ist unberechtigt. Die Finanzreform ist eine
Maßregel des Reiches und von den Verbündeten Regierungen durchberaten
und beschlossen worden. Wir tun am besten, nicht mehr rückwärts, sondern
vorwärts zu schauen, die Kritik an der Reichsfinanzreform einzustellen und
uns zu vergegenwärtigen, daß sie jedenfalls die Finanzen des Reiches auf
eine solide Basis gestellt hat. Die nationalen Parteien sollten sich wieder
zusammenfinden auf dem Boden gemeinsamer Arbeit und auf die unfrucht-
bare Erörterung vergangener Dinge verzichten. Eine über 120 Millionen
hinausgehende Inanspruchnahme der Eisenbahnüberschüsse für das Extra-
ordinarium soll nur in äußersten Ausnahmefällen erfolgen.
Eisenbahnminister v. Breitenbach: Was die Schiffahrtsabgaben an-
langt, so ist es in hohem Maße erwünscht, diese Frage endlich zum Ab-
schluß zu bringen. Ich stelle fest, daß die von uns ausgearbeitete Vorlage
allen denjenigen Bedenken Rechnung trägt, die von den Gegnern der Schiff-
fahrtsabgaben, soweit sie nicht grundsätzliche Gegner sind, erhoben worden
sind. Preußen hat den übrigen Bundesstaaten weitgehendstes Entgegen-
kommen bewiesen; jede partikularistisch-fiskalische Tendenz ist der Vorlage
fremd. Wir sehen in der Vorlage ein nationales Werk, deshalb waren wir
ursprünglich auch geneigt, die Sache auf reichsgesetzlichem Wege zu regeln.
Daß unsere Vorlage nicht verkehrsfeindlich ist, erhellt daraus, daß eine
Reihe berufener Handelsvertretungen, so die Handelskammer zu Hamburg,
sich mit ihr einverstanden erklärt hat. Die preußische Regierung ist über-
zeugt, daß sie mit dieser Vorlage Erfolg haben wird, die durchaus den
traditionellen bundesfreundlichen Standpunkt Preußens wahrt.
Abg. Dr. v. Jadzewski P.): Der Ministerpräsident hat in seiner An-
trittsrede auf das Vertrauensverhältnis verwiesen, das sich während seiner
früheren Tätigkeit zwischen dem Hause und ihm entwickelt habe. Besteht
dies Vertrauen wirklich? Herr von Bethmann hat an dem Vereinsgesetz
und an der Enteignungsvorlage mitgewirkt, die einen großen Teil des Volkes
unter eine Ausnahmegesetzgebung stellt. Wo soll da das Vertrauen her-
kommen? Wie steht es mit der Besetzung des Erzbistums Posen-Gnesen?