Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

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angeschlossen hat, gibt doch sehr zu denken. Staatsverwaltung und politische 
Körperschaften werden gut tun, dafür zu sorgen, daß der Funke, der viel- 
leicht hier vorhanden ist, nicht zu einem Feuer ausbricht. 
Finanzminister Frhr. v. Rheinbaben: An Tarifermäßigungen bei 
der Eisenbahn können wir zurzeit nicht denken. Es versteht sich von selbst, 
daß wir für jeden Weg dankbar sind, der uns zu einer immer besseren 
Erfassung des Einkommens und Vermögens führt. Es ist ja in der Tat 
ein eigentümliches Bild, daß wir, die wir jahraus, jahrein für eine solche 
strenge Erfassung gekämpft haben, hier im Landtag immer gescholten 
worden sind, daß wir viel zu viel Erklärungen beanstanden, und nun 
plötzlich hören, daß die Veranlagungsbehörden das Gegenteil täten. Ich 
glaube, daß die Steuerveranlagungsbehörden ein gutes Gewissen haben 
und daß namentlich der Vorwurf einer absichtlichen oder fahrlässigen Unter- 
schätzung auf dem Lande durchaus unbegründet ist. Es sind eine ganze 
Anzahl von Fällen in den einzelnen Zeitungen angeführt worden. Wir 
haben es selbstverständlich für unsere Pflicht erachtet, diesen Fällen nach- 
zugehen, und was hat sich herausgestellt?, daß die Veranlagung in all 
diesen Fällen vollkommen richtig erfolgt ist. Seit 1892 bis 1908, also in 
16 Jahren, ist die Zahl der Steuerpflichtigen von 2,44 Millionen auf 
5,88 Millionen gestiegen, das Veranlagungssoll von 121 Millionen auf 
273 Millionen, also um 190 Prozent. Das Veranlagungssoll der physischen 
Personen ist auf dem Lande von 30 auf 60 Millionen gestiegen. Das ist 
in erster Linie wohl ein Zeichen unseres steigenden Wohlstandes, aber es 
ist auch unzweifelhaft, daß zu diesem Steuerergebnis die Nachprüfung der 
Veranlagungsbehörden sehr beigetragen hat. Im Jahre 1909 sind von 
720 000 abgegebenen Steuererklärungen 33 Prozent beanstandet worden. 
Früher hätte man das unerhört gefunden, jetzt findet man das noch zu 
wenig. Durch diese Beanstandungen sind nicht weniger als 345 Millionen 
Einkommen mehr erfaßt worden, wodurch 11,6 Millionen mehr an Ein- 
kommensteuer aufgebracht worden sind, die ausgefallen wären, wenn die 
Beanstandung nicht erfolgt wäre. Infolge der Nachprüfung sind seit diesen 
16 Jahren nicht weniger als 3 Milliarden Einkommen mehr durch die 
Steuer erfaßt worden mit einem Gesamtertrage von 106 Millionen Ein- 
kommensteuer. Auf dem Lande ist die Veranlagung der physischen Personen 
in diesem Zeitraum allein um 99 Prozent gestiegen. Herr Dr. Friedberg 
hat die Frage der inneren Kolonisation Schleswig- Holsteins gestreift. Wir 
beabsichtigen, uns an der neugegründeten Ansiedlungsgesellschaft zu be- 
teiligen. Zuletzt kann ich Herrn Dr. Friedberg noch antworten, daß ein 
Gesetz über die Tagegelder der Beamten in Vorbereitung ist und hoffent- 
lich noch im Laufe dieser Session an den Landtag kommen wird. 
Abg. Hirsch (Sd.): Wir schließen uus dem Mißtrauensvotum der 
Polen für den wieder abwesenden Ministerpräsidenten an. Für uns ist 
er aus seiner Tätigkeit als Minister des Innern und Staatssekretär kein 
homo novus, er ist für die Dreiklassenwahl und mitschuldig an der Steuer- 
belastung des Volkes. Wir danken auch für den Großblock, wenigstens in 
Preußen. Vor allem lehnen wir eine Ehe mit den Nationalliberalen ab, 
wir sind allein viel stärker als bei einem Bündnis mit unsicheren Kan- 
tonisten. Die Finanzlage ist schlecht, aber nicht wegen der Beamten- 
aufbesserung. Die Staatsarbeiter werden noch viel zu schlecht entlohnt, 
obenein werden sie von den Vorgesetzten politisch geknebelt. Zögen wir 
die großen Vermögen wirklich entsprechend bei der Steuerveranlagung 
heran, so wäre das Defizit aus der Welt geschafft. Die Forderungen des 
Zentrums laufen auf eine Verdummung des Volkes hinaus. Daher auch 
die Gegnerschaft gegen Ferrer, der mehr für die Aufklärung des Volkes
	        
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