# Detsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 17.) 33
getan hat, als alle Zentrumsherren. Der Kultusetat ist schlecht dotiert,
um so besser aber der Polizeietat. Die Thronrede enthält so wenig über
die Wahlreform, daß man es als eine Verhöhnung des Volkes ansehen muß.
Vizepräsident Dr. Porsch: Ich bilte, sich mit etwas mehr Zurück-
haltung über die Thronrede zu äußern.
Abg. Hirsch (Sd.): Wir lassen uns von unserem Kampf um das
Wahlrecht nicht abbringen. Von den Freikonservativen erwarten wir
dabei nichts, ebensowenig von den Nationalliberalen. Das Zentrum ist
zwar auf dem Papier für das gleiche und geheime Wahlrecht, hat aber
bisher Taten vermissen lassen. Auch das Verhalten des Freisinns ist nicht
gerade anmutig. Wir wollen aber dem Freisinn zugute halten, daß er
noch von der Blockidee befangen war. Ich erkläre, daß wir trotz des
Verhaltens des Freisinns gegen uns im Wahlrechtskampf mit ihm zu-
sammengehen wollen, wenn es der Freisinn damit ehrlich meint.
17. Januar. (Reichstag.) Interpellation über die Pensions-
versicherung der Privatbeamten.
Begründet wurde die Zentrumsinterpellation vom Abg. Sittart,
die der Nationalliberalen vom Abg. Dr. Stresemann. Beide Redner ver-
langten eine unzweideutige Antwort, ob die Verbündeten Regierungen
bereit seien, die schon vor längerer Zeit versprochene Vorlage betr. die
Pensionsversicherung der Privatbeamten in kurzer Zeit einzubringen. Sie
erwähnten die Gerüchte, wonach die Regierung in letzter Zeit anderer
Meinung geworden sei und die Vorlage auf unbestimmte Zeit zurück-
gestellt habe, und verlangten Auskunft, warum das geschehen sei. Sie
widerlegten auch alle Gründe, die laut geworden sind, um die angeblichen
Schwierigkeiten zu begründen. Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück
erklärte, daß die technischen Schwierigkeiten, die der Vorlage im Wege
stehen, größer seien, als man ursprünglich annahm, und daß sich die un-
abwendbare Notwendigkeit ergeben habe, die Vorlage einstweilen zurück-
zustellen. Er werde aber bestrebt sein, sobald er dazu in der Lage sei,
einen Gesetzentwurf vorzulegen. Diese verblümte Absage rief im Hause
Mißstimmung hervor, die auch bei der nun folgenden Besprechung der
Interpellation deutlich zum Ausdruck kam. Selbst der konservative Abg.
Dr. Dröscher sprach mit ungewöhnlicher Schärfe gegen die Regierung und
fand es unverständlich, warum man nicht endlich den Mut der Entschlossen-
heit zu der Vorlage habe. Noch entschiedener äußerte sich der freisinnige
Abg. Hormann, der es klipp und klar heraussagte, daß hinter den Kulissen
gegen die Privatbeamtenversicherung gearbeitet werde und die Regierung
diesen Einflüssen offenbar unterlegen sei. Seine Partei müsse auf dem
Wunsche beharren, daß noch in dieser Session eine Vorlage über die Ver-
sicherung der Privatbeamten eingebracht werde. Ihm schlossen sich auch
die Abgg. Heine (Sd.) und Linck (Rp.) an. Im gleichen Sinne sprachen
noch die Abgg. Breiski (P.), Dr. Burckhardt (W. V.) und Nacken (Z.), wo-
mit die Interpellationsbesprechung erledigt war.
Sozialdemokratische Interpellation wegen der Entschädigung
der durch die Finanzreform brotlos gewordenen Tabaksarbeiter.
Nach ihrer Begründung durch den Abg. Geyer (Sd.) erklärte der
Reichsschatzsekretär Wermuth, daß den geäußerten Wünschen durch die im
November erlassenen Ausführungsbestimmungen Rechnung getragen werde.
Die Zigarettenarbeiter aber könnten in die Entschädigung nicht mit ein-
begriffen werden, weil diese nur für Zigarrenarbeiter im engeren Sinne
des Wortes bestimmt sei. Dieser Auffassung traten fast alle Redner aus
Curopäischer Weschichtstalender. Ul. 3