38 Das Denisqe Reich nad seine einzelnen Glieder. (Januar 18.)
sind. Es hat kein Mensch befohlen, daß die Maschinengewehre mitgenommen
werden. Diese sind ein integrierender Bestandteil der Truppe; wie die
Infanterie ihre Gewehre mitnimmt, nimmt sie die Maschinengewehre mit,
dann könnte man auch der Kavallerie sagen, daß sie die Lanze zu Hause
läßt. Die Lage, die die Truppen im Streikgebiet vorfanden, war erheblich
weniger harmlos, als der Vorredner sie geschildert hat. Am Abend vorher
hatte eine nach Tausenden zählende Volksmenge versucht, die Gendarmen
nicht nur an die Wand zu drängen, sondern ihnen die Waffen wegzureißen,
so daß tatsächlich die Gendarmen ihres Lebens nicht sicher waren und ihren
Austrag nicht durchführen konnten. Als die Truppen abends in Hettstedt
angekommen waren, waren sie noch um 11 Uhr genötigt, nicht Frauen und
Kinder, sondern einen 400 Köpfe zählenden Streikhaufen zu vertreiben.
Zwei Kompagnien geleiteten die Arbeitswilligen durch Hettstedt und trafen
auf dem Marktplatz eine ebenfalls nach Tausenden zählende Menge, in der
einige Frauen und Kinder waren, die aber in allererster Linie aus Strei-
kenden bestanden. (Fortdauernde Unterbrechung von den Sd. Zuruf des
Abg. Sachse: Das ist ja Unsinn! Glocke des Präsidenten. Vizepräsident
Erbprinz zu Hohenlohe: Ich bitte Sie, den Redner nicht zu unterbrechen,
da ich sonst genötigt bin, Sie zur Ordnung zu rufen. Zuruf bei den Sd.:
Der Mann weiß das nicht, man hat es ihm aufgebunden! Erbprinz zu
Hohenlohe bittet nochmals energisch, die Zwischenrufe zu unterlassen.) Erst
nach zweimaligem Trommelwirbel ging die Menge zurück, so daß die Truppen
Gott sei Dank nicht genötigt waren, von der Wasse Gebrauch zu machen. Die
Koalitionsfreiheit ist von seiten der Truppen nicht angegriffen, damit haben
wir überhaupt nichts zu tun. Für die Truppen begann ein recht an-
strengender Dienst. Drei Wochen sind sie kaum aus den Kleidern gekommen.
Wenn Sie die Leute an Ort und Stelle gesehen hätten, hätten Sie erkannt,
was für einen ermüdeten, angestrengten Eindruck sie machten. Sie mußten
auf weite Entfernungen unter fortwährenden Beleidigungen die Arbeits-
willigen bei zweimaligem, täglichem Schichtwechsel begleiten. Das hat die
Truppen so angestrengt, daß schließlich Kavallerie herangezogen werden
mußte. Ob der Arbeiter reichstrenu ist oder nicht, ist für die Armee in
diesem Falle einerlei. Für uns kommt es darauf an, daß der Arbeiter
Ruhe und Ordnung hält. Daß die Truppen mit großer Besonnenheit
vorwärts gegangen sind und sich jeder Provokation enthalten haben, zeigt
erstens, daß überhaupt kein Zusammenstoß mit der Bevölkerung statt-
gefunden hat und zeigt zweitens die geringe Zahl der Verhaftungen. JIch
erkenne ohne weiteres an, daß auch die Streikleitung sich bemüht hat, Zu-
sammenstöße zu vermeiden. Es ist wiederholt in Versammlungen und durch
Rundschreiben darauf hingewiesen, daß dem Militär kein Anlaß gegeben
werden sollte, einzuschreiten. Aber diese meine Anerkennung wird doch
etwas beeinträchtigt: es hieß dabei immer „solange das Militär da bleibt".
Alle Nachrichten stimmen damit überein, daß, sobald unsere Truppen dem
Streikgebiet den Rücken gewandt hätten, die Tätigkeit gegen die Arbeits-
willigen erst recht wieder ausgenommen worden wäre. Tatsächlich ist beim
Generalkommando erwogen worden, die Truppen zurückzuziehen. Aber
alle Tage hat man mit Bedauern zu der Ueberzeugung gelangen müssen,
daß die Zeit noch nicht gekommen sei; erst nachdem Ruhe und Ordnung
wieder hergestellt waren, konnten die Truppen wieder abziehen. Der Abg.
Sachse hat eine Anzahl Klagen vorgebracht. Ich war neugierig und
konnte mir keinen Vers daraus machen, welche Verstöße gegen die Reichs-
gesetze, von denen in der Interpellation gesprochen wird, vorgekommen
sein sollen. Ich habe versucht, mich aus der Presse aller Parteien zu
orientieren. Auch da kam ich auf keinen irgendwie ernsten Verstoß. Wenn