Das Veeische Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 18.) 39
man das Ergebnis der Anklage des Abg. Sachse von heute zieht, so ist es
ein höllisch mageres. Wenn Truppen in so schwierige Verhältnisse hinein-
kommen (Unterbrechungen bei den Sd., fortdauernde Unruhe; Glocke des
Präsidenten. Vizepräsident Erbprinz zu Hohenlohe: Herr Hus, ich muß
Sie bitten, die Zwischenrufe zu unterlassen, wenn Sie sprechen, werden Sie
auch nicht durch die Vertreter der Regierung gestört. Ich muß Sie dringend
bitten, Gegenseitigkeit walten zu lassen). Ich habe mich gewundert, daß
alles so glatt gegangen ist. Ich komme zu den Einzelheiten. Selbstverständlich
hat niemand etwas dagegen, wenn ein Mann mit einer weißen Binde
herumgeht und Ordnung hält. Gegen Ordnungsmänner ist tatsächlich nur
da eingeschritten worden, wo sie ihr sogenanntes Amt in lautester, provo-
katorischer Weise in nnmittelbarer Nähe der Truppen auszuüben suchten.
So lautet die Instruktion und so lauten auch die tatsächlichen Berichte.
Ich konstatiere nur eins: Auch heute ist an mich nicht die Idee einer Be-
schwerde aus dem Streikgebiet gekommen, und Sie sind doch sonst nicht
so bescheiden! Ich komme jetzt auf das Dienstmädchen und auf die Frauen
von Kelbra. Es hat ja sehr schön geklungen, hat auch in den Zeitungen
sehr schön gestanden, hat nur den einen Nachteil, daß es absolut unwahr
ist. Es ist überhaupt in dem ganzen Streikgebiet keine einzige Frau ver-
haftet worden. Nachdem das in der Zeitung stand, und ich diesen Roman
las, habe ich mich gewundert und habe das Generalkommando zum Bericht
aufgefordert, und es hat berichtet: Von seiten der Polizei ist keine Frau
verhaftet worden. (Zuruf: Aber Mädchen!) Wenn ich sage. keine Frau
verhaftet, dann ist auch kein Mädchen verhaftet. Ein Mann, der in die
Pferde gefallen ist — der Mann ist mit Absicht hineingefallen, und daß
man sich das nicht gefallen läßt, ist klar — ist verhaftet worden und wehrte
sich derartig gegen seine Verhaftung, daß das ganze Gefängnis dabei in
Trümmer ging. Gewiß sind die Flugblätter angehalten worden. § 30 des
Reichspreßgesetzes läßt den § 10 des preußischen Gesetzes von 1850 noch
in Kraft, wonach unentgeltliche Verteilung von Flugblättern an die Ge-
nehmigung der Ortsbehörde gebunden ist. Diese Genehmigung war im
vorliegenden Falle nicht erfolgt. Weiter führt Herr Sachse Beschwerde,
daß der kommandierende General keine Antwort erteilt habe, als er eine De-
pesche bekam. Ich habe ihn nicht danach gefragt, aber ich glaube, er hat
es nicht getan — ich hätte es auch nicht getan —, weil die Depesche in
ostentativer Weise unterzeichnet war: Der Streikleiter, gezeichnet Sachse.
Mit solchen Instanzen braucht man, glaube ich, nicht zu verhandeln. Im
übrigen war eine Antwort auch gar nicht notwendig, denn die Sache war
bereits erledigt. Nun kommt der Vorgang in Kelbra, wo ein Offizier mit
Schießen gedroht haben soll. Der Tatbestand ist einfach so: Ein Junge,
der Flugblätter verteilt hatte, lief weg, der Posten hinter ihm her. Der
Offizier fragte nachher den Posten, warum er nicht geschossen habe, und
da sagte der Mann einfach sehr richtig: „Weil der Betreffende noch nicht
verhaftet ist", und da sagte der Offizier: „Da haben Sie sehr recht getan.“
Also ich sage, es ist sehr wenig herausgekommen. Die Armee zählt solche
„Vergnügungen“" wahrlich nicht zu ihren Annehmlichkeiten. Selbst das
tatendurstigste Mitglied der Armee weiß ganz genau, daß auf der Straße
uns keine Lorbeeren blühen, und daß wir unsere Zeit besser zu verwenden
haben, um uns geschickt zu machen zur Verteidigung des Vaterlandes.
Ebenso aber müssen wir betonen: Wenn wir berufen werden, werden wir fest
stehen, um Recht und Ordnung unter allen Umständen aufrecht zu erhalten.
Auf Antrag Singer wird einstimmig Besprechung beschlossen.
Z Abg. Arendt (Rp.): Auch ich begrüße es mit großer Freude, daß
in Mansfeld kein Blut geflossen ist. Das danken wir der außerordentlich