Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Spanien. (Mai 23. — Juni 16.) 491 
23. Mai. Der König begnadigt den Marineauditeur Macias, 
der wegen seiner Kritik der spanischen Marineverwaltung zu mehr- 
jähriger Gefängnisstrafe verurteilt worden war. (Siehe 1909 April 27.) 
23. Mai. Attentat. 
Bei der Rückkehr des Königs aus London erfolgte auf der Calle 
Mayor eine Bombenexplosion, bei der aber nur der Attentäter, ein 27 jähriger 
Anarchist, verletzt wurde. 
31. Mai. Gegen die renitenten Klöster. 
Ein königliches Dekret verfügt, daß die Klöster, die sich der Ver- 
ordnung vom April 1902 nicht unterwarfen, also nicht die Zahl und die 
Herkunft ihrer Mitglieder, ihre Einnahmen usw. amtlich mitteilten, als ge- 
setzlich nicht existierend zu betrachten seien. Die Kongregationen, die industriell 
tätig sind, sollen Gewerbescheine lösen. 
11. Juni. Der „Staatsanzeiger“ veröffentlicht ein Dekret 
des Königs, wonach alle religiösen Kulte nach Artikel 11 der Ver- 
fassung volle Freiheit genießen. 
15. Juni. Eröffnung des Parlaments durch den König. 
In der Thronrede wird erklärt, daß die Beziehungen Spaniens 
u allen anderen Mächten andauernd freundschaftliche seien. Die hohe 
ürsorge des Papstes und die Empfindungen kindlicher Hochachtung, welche 
man dem Payste schulde, ließen hoffen, daß unter voller Wahrung der 
wechselseitigen Achtung vor den beiderseitigen Prärogativen die glückliche 
Entente zwischen Spanien und dem Heiligen Stuhle keine Unterbrechung 
erleiden werde. Die Thronrede bespricht sodann den Riffeldzug, der 
notwendig geworden sei, weil es an Mitteln gefehlt habe, die Ausschreitungen 
der Eingeborenen um Melilla zu unterdrücken. Die weiteren Verhandlungen 
mit dem Maghzen bezwecken die Erlangung der Entschädigungen, auf die 
Spanien Anspruch habe, sowie die Schaffung einer wirksamen Garantie 
gegen neue Gewalttätigkeiten und Unruhen im übrigen Teile Marokkos. 
Mit Frankreich durch die Bande loyalen Zusammenwirkens verbunden, 
fahre Spanien fort, innerhalb der durch das internationale Abkommen ge- 
zogenen Grenzen an der Reformarbeit sich zu beteiligen. Die Aufmerksam- 
keit, welche die Regierung dem afrikanischen Kolonialbesitz zuwende, werde 
in entsprechenden Gesetzvorlagen ihren Ausdruck finden. Die Regierung 
werde darauf hinwirken, daß die Kongregationen dem bürgerlichen Ver- 
einsgesetz unterworfen werden, ohne daß dadurch ihre geistige Unabhängigkeit 
berührt würde. Die Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl wegen Auf- 
hebung der nicht unbedingt nötigen Klöster würden fortgesetzt. Das Vereins- 
gesetz vom 30. Juni 1887 solle einer Revision unterzogen werden. Die 
Regierung werde ferner eintreten für allgemeine Wehrpflicht und für ein 
starkes, über alle modernen Errungenschaften verfügendes Heer, auch die 
Marine solle reorganisiert werden. In der Thronrede wird dann eine 
Steuerreform angekündigt, nach der die Verteilung der Lasten in ge- 
rechterer Weise erfolgt. Ebenso solle die Erbschaftssteuer in dem Sinne 
abgeändert werden, daß sie eine mäßige, aber entschiedene Progression zeige. 
Ferner sollen Vorlagen eingebracht werden betreffend das Wahlrecht, die 
Fürsorge für die Arbeiter, den öffentlichen Unterricht usw. 
15. Juni. Die Forderung des Vatikans, daß vor weiterer 
Verhandlung über die Abänderung des Konkordats das Dekret vom
	        
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