42 D# Veeische Reich und seine eintelnen Glieder. (Januar 18.)
von seiten des Arbeitgebers provoziert war. Wenn der Arbeiter nicht das
Recht haben soll, sich der Organisation anzuschließen, der er sich anschließen
will, dann hat er eben kein Koalitionsrecht; das ist das tief Bedauerliche
und außerordentlich Rückständige, daß unsere Arbeitgeber, die sich schönstens
verbitten würden, daß man ihnen Vorschriften darüber macht, welcher
Organisation sie beitreten sollen, dieses Recht gegenüber den Arbeitern in
Anspruch nehmen. Diese Unduldsamkeit verurteilen wir ebenso entschieden
wie die gleiche Einseitigkeit, wenn sie von Arbeitern betätigt wird. Daß
auf die Beschwerde, unterzeichnet „der Streikleiter Sachse“ nicht geantwortet
worden ist, ist auch unrichtig. Merkwürdigerweise wußte der Kriegsminister
in dem Falle des Dienstmädchens Bescheid; aber auch andere Dinge waren
durch die Zeitungen gegangen, ohne daß der Kriegsminister ihnen nach-
gegangen ist und hier Auskunft gegeben hat. Auch der Staatssekretär
hätte sich ausgiebiger aus der Presse orientieren können. Es ist eine sehr
schwächliche Ausrede, wenn man sich dahinter verschanzt, daß man von den
Dingen nichts wisse, und Beschwerden an die Zentralinstanz nicht gelangt
seien. Wäre das sozialpolitische Verständnis in unseren Arbeitgeberkreisen
größer, so würden wir nicht so viel Zeit auf solche Erörterungen zu ver-
wenden haben.
Abg. Vogel (Nl.): Ich glaube mit dem Abg. Sachse, daß der Streik
nicht von vornherein zu dem Zeitpunkt beabsichtigt war, wo er ausgebrochen.
ist. Immerhin hat sich die Leitung der Mansfelder Gewerkschaft der wach-
senden Agitation gegenüber genötigt gesehen, zunächst mit der Kündigung
von 45 Bergleuten vorzugehen. Das brachte größeres Leben in die Be-
wegung. Man kam jetzt mit der Forderung der Anerkennung des Bochumer
Verbandes. Andererseits war die Lage des Mansfelder Bergbaues eine
immer schwierigere geworden, insbesondere infolge der amerikanischen Kon-
kurrenz; sie hat 1908 und 1909 keine Ausbente verteilen können. Zur Be-
kämpfung dieser Nachteile hat der neue Direktor zunächst eine Aenderung
des Gedinges vorgenommen. Die Belegschaft gab sich damit zufrieden und
zeigte andererseits volles Verständnis für die schwierige Lage der Gewerk-
schaft. Es mag ja sein, daß unter den 45 Gemaßregelten auch solche waren,
die nicht Agitatoren, sondern bloße Mitläufer waren: jedenfalls konnte sich
die Gewerkschaft nicht anders helfen, wenn sie den Abwehrkampf gegen die
Sozialdemokratie überhaupt führen wollte. Im übrigen hatte sie den Ar-
beitern das Koalitionsrecht vollständig gewährt. Die Mehrheit der Beleg-
schaft hat ja auch den Streik nicht mitgemacht. Das Aufgebot von Militär
ist in solchen Fällen immer mißlich. Man muß aber die Anwendung nach
dem Erfolge beurteilen, und da muß man sagen, daß die Heranziehung des
Militärs sich als nützlich und notwendig erwiesen hat. Ich möchte mit dem
Munsche schließen, daß die Mansfelder Gewerkschaft, trotzdem sie gesiegt hat,
aus dem Mansfelder Streik die nötige Lehre ziehe.
Abg. Breiski (P.): Es ist nicht zu bestreiten, daß die Löhne im
Mansfelder Revier sehr niedrig sind. Auch in diesem Falle war, wie schon
früher im Ruhrrevier, nur die Behörde und die Polizei diejenigen, die auf—
geregt waren. Die Gefahr war jedenfalls nicht so groß, daß Militär re-
quiriert werden mußte. Solche Gewaltmaßregeln züchten höchstens Sozial-
demokraten. Stehen die Kollegen Giesberts und Behrens auf demselben
Standpunkt wie der Abg. Fleischer? Das würde ich im Interesse der
christlichen Gewerkschaften nur bedauern. Ich befürchte, daß solche Reden
ebenfalls die Arbeiter in die Reihen der Sozialdemokratie treiben und die
Sozialdemokratie im Bergrevier die Alleinherrschaft erhält. Ich möchte aber
die sozialdemokratischen Gewerkschaften bitten, gegen die christlichen und pol-
nischen Gewerkschaften toleranter zu sein und von ihrem Terrorismus abzulassen.