Greßbritaunien. (Januar 27. — Februar 7.) 497
aber wir wollen im Einklang mit unseren überseeischen Interessen eine
achtunggebietende Stellung einnehmen und nicht allein von dem guten
Willen anderer Seemächte abhängen.
27. Januar. Der neue Marineetat enthält Kredite für
4 Schlachtschiffe, 2 Panzerkreuzer, 8 kleine Kreuzer, 24 Zerstörer,
10 Unterseeboote und 5000 weitere Mannschaften.
2w8. Januar. Der König beruft das Parlament zum 21. Februar.
28. Januar. Die „Official Gazette“ veröffentlicht die Ver-
leihung des Ranges eines Admiral of the Fleet (Großadmiral) an
den Prinzen Heinrich von Preußen.
28. Januar. Die Gefahren der Deutschenhetze.
Die ministerielle „Westminster Gazette“ faßt ihren Rückblick über
die beendeten Wahlkämpfe in die Mahnung zusammen, daß alle
ernsten Politiker aller Parteischattierungen in England dahin zusammen-
wirkten, daß bei eventuellen neuen Generalwahlen in England der Frieden
zwischen England und Deutschland nicht durch eine Wiederholung der anti-
deutschen Wahlagitation ernstlich gefährdet werde. Eine neue Khakiwahl,
bei welcher Deutschland die Rolle der Buren spielen müßte, würde das
denkbar größte Unheil anrichten. Die unheilvollste Episode bei den gegen-
wärtigen Wahlen sei Balfours Rede gewesen, in welcher er aus der Blatch--
fordschen Flugschrift Vorteil zu ziehen suchte. Von den Indiskretionen
Lord Cawdors und anderer Unionisten ganz zu schweigen, sei doch Balfour
als Führer der Opposition nächst dem Premierminister für die nationale
Politik verantwortlich. Die wahre Politik Englands sei eine höfliche Sprache
und eine überlegene Flotte. Die Regierung werde für die letztere in solcher
Weise sorgen, daß Panik und Schmähungen überflüssig würden. Sie hoffe,
die Opposition werde ihr helfen, mit Deutschland wenigstens auf höflichem
Fuße zu verbleiben, selbst wenn sie ihre Ansichten über Flottenüberlegen-
heit äußerte. Aber auch den hitzköpfigen Freihändlern gebühre eine Mahnung,
den Pferdefleisch= und Schwarzbrotbeweis nicht über das notwendige Er-
fordernis hinaus zu führen. Man möge schließlich bedenken, daß die Inter-
essen auch anderer Mächte hierbei in Betracht kämen. Es sei ein Trug-
schluß, wenn man allgemein annehme, daß die europäische Politik sich in
ein Duell zwischen England und Deutschland auflösen könne. Durch solch
eine Khakiwahl könne England eine kritische Situation in Europa hervor-
rufen, welche sich den Freunden Englands in Europa zuerst fühlbar machen
würde, und zwar in einer für sie höchst unangenehmen und gefährlichen
Art. England schulde es seinen Nachbarn, daß solche Angelegenheiten nicht
zum Gegenstande einer hitzigen Wahlkampagne gemacht würden.
7. Februar. Joseph Chamberlain über die Lage.
Bei Abschluß der Wahlen, die für die Liberalen eine kleine Majorität
ergeben, äußert sich Chamberlain gegenüber einem Interviewer der „Morning
Post“: Gefreut hat ihn die ungeheure Zunahme der für die Tarifreform
abgegebenen Stimmen, so daß im Unterhaus die Tarifreformer mächtiger
sein werden als je zuvor. Freilich haben sie in London, in Lancashire
und in Norkshire schlecht abgeschnitten, und in Schottland hat die Schutz-
zollpolitik gar an Boden eingebüßt. Dagegen hat Birmingham und die
unter dem Einfluß der großen von Chamberlain beherrschten Fabrikstadt
stehende Landschaft treuer zu ihm gehalten als zuvor.
Europäischer Geschichtskalender. I.1. 32