Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Das Bealsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 18, 19.) 43 
Abg. Behrens (W. V.): Es handelte sich in Mansfeld tatsächlich 
um die Koalitionsfreiheit. Auch gegen die evangelischen Arbeitervereine 
leisten die Arbeitgeber stillen, aber heftigen Widerstand. Die große Nieder- 
lage und damit die Schädigung der Arbeiterschaft mußte vorausgesehen 
werden. Wir wollten bei günstigerer Konjunktur das öffentliche Gewissen 
wachrufen, und ich bin überzeugt, auch auf der rechten Seite hätten wir 
das nötige Verständnis gefunden. Jetzt trifft die Verantwortung lediglich 
die Organisation, die die notwendige gewerkschaftliche Vorsicht außer Acht 
gelassen hat. Ein Streik darf nicht zur Unzeit geführt werden, und dazu 
noch mit ungeschulter, mit unorganisierter Arbeiterschaft; da war das mili- 
tärische Einschreiten vorauszusehen. Die Streikenden haben die nötige 
Achtung vor den Nichtstreikenden nicht gehabt. Der Redner setzt sich weiter 
mit den Sozialdemokraten über Streikdiplomatie und Streikpolitik aus- 
einander. Wir verlangen Anerkennung der Koalitionsfreiheit, nicht theo- 
retische, wie die Nationalliberalen, sondern praktische. Den Mansfelder 
Bergarbeitern aber rufe ich nachträglich noch zu: Schließt euch den Berg- 
arbeiterverbänden an! 
18. Januar. (Sachsen.) Verhandlungen der Zweiten Kammer 
über die Leipziger Tendenzprofessur. 
Kultusminister Dr. Beck erklärte, Ehrenberg sei ihm bis zu dem 
Tage, als die Frage an ihn herantrat, eine ganz unbekannte Größe ge- 
wesen. In Sachsen bestehe die Tradition, daß die Unterrichtsverwaltung 
bei der Besetzung neuer Professuren nicht selbständig handle, sondern nur 
in Uebereinstimmung mit der zuständigen Fakultät. Der Minister betonte, 
daß er sich für Ehrenberg materiell nicht mit einem Wort ins Zeug gelegt 
habe. Er lehne es ab, mit den Interessengruppen im Bund gewesen zu 
sein. Auch habe er sich keineswegs bemüht, den Tendenzprofessor an eine 
andere Lehranstalt zu bringen. Er habe lediglich Dr. Stresemann gesagt: 
Wenn Ihnen soviel daran liegt, daß Ehrenberg nach Leipzig kommt, so 
wenden Sie sich an die Handelshochschule. Diese untersteht jedoch nicht 
dem Kultusministerium. Der Minister erklärte zum Schluß, er werde für 
eine Uebereinstimmung der Unterrichtsverwaltung mit der Uniwversität stets 
eintreten, namentlich, wo es sich um die Berufung einer neuen Lehrkraft 
handle, und selbstverständlich dürfe die Universität auch nicht zu einer Pflege- 
stätte des Scharfmachertums gemacht werden, wie von sozialdemokratischer 
Seite befürchtet werde. Sie müsse stets eine Freistatt der Wissenschaft bleiben. 
18. Januar. Der Wert des auswärtigen Handels Deutsch- 
lands belief sich im Jahre 1909 
im Spezialhandel ohne Edelmetalle in der Einfuhr auf 8,2 gegen 
7,7 Milliarden Mark im Vorjahre, in der Ausfuhr auf 6,7 gegen 6,4 
Milliarden Mark im Jahre 1908. Der Edelmetallverkehr erreichte in der 
Einfuhr 0.3 gegen 0,4 Milliarden, in der Ausfuhr 0,3 gegen 0,1 Milliarden. 
Trotz dieser Zunahme gegen das Vorjahr blieben die Ein= und Ausfuhr 
gegen das Jahr 1907 erheblich, jene mehr als diese zurück. 
19. Januar. (Reichstag.) Der Freundschafts= und Handels- 
vertrag zwischen dem Deutschen Reich und Bolivien wird in erster 
und zweiter Beratung angenommen. 
Besprechung einer Interpellation der freisinnigen Fraktions= 
gemeinschaft (Ablaß und Gen.) betr. die Anwendung des Reichs- 
vereinsgesetzes.
	        
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