Greßbritannien. (November 29. — Dezember 11./12.) 527
Der Wahlaufruf der irischen Partei erwartet von einer Niederlage
der Lords freie Bahn für Homerule. Zugleich wird der Versuch der Konser-
vativen, durch Unterstützung O'Briens mit Geld eine Spaltung der irischen
Nationalisten herbeizuführen, gebrandmarkt und die Forderung einer voll-
ständigen nationalen Selbstregierung als das Programm der unter Red-
mond vereinigten Iren bezeichnet.
Zwischen den beiden Gruppen hatte es bereits in Cork eine Schlägerei
gegeben, bei der die Polizei eingreifen mußte.
29. November. (London.) Die Konservativen eröffnen den
Wahlkampf mit einer Frontstellung gegen die Iren und Sozialisten
als Verbündete der Liberalen.
In einer großen Versammlung in Albert Hall überbringt der frühere
Minister Long aus Irland folgende Botschaft der dortigen Unionisten:
„Wir erklären feierlich, daß Homerule Irland nicht den Frieden, sondern
das Schwert bringen wird. Wenn ein irisches Parlament geschaffen wird,
so werden die Unionisten im Süden im Verein mit den Leuten von Ulster
seine Autorität nicht anerkennen, an seine Verordnungen sich nicht knüpfen
und seine Steuern nicht bezahlen.“ Hierauf sprach Balfour und erklärte:
Jedermann wisse, die konstitutionelle Umwälzung basiere auf den Bedürf-
nissen und den Wünschen der irischen Homeruler und der Sozialisten. Die
Interessen der gesetztreuen Bürger würden dabei gänzlich außer acht gelassen.
29. November. Der Wahlaufruf Sir Edward Greys empfiehlt
Homerule für die verschiedenen Teile des vereinigten Königreichs
nach dem Muster des kanadischen Systems.
3. Dezember. (London.) Empfang der Mannschaften des
atlantischen Geschwaders der Vereinigten Staaten in Guild Hall.
Auf eine Ansprache des Lord Mayor erwidert Kommandant Sims,
es sei seine persönliche Meinung, daß, wenn je eine Zeit käme, wo das
Britische Reich von einem äußeren Feinde bedroht werde, es auf jeden
Mann, jeden Dollar, jeden Blutstropfen der Stammesverwandten jenseits
des Ozeans rechnen könne.
11.—12. Dezember. Preßstimmen zu der Rede des deutschen
Reichskanzlers über auswärtige Politik.
Der „Standard“ sieht in den wiederholten Eröffnungen der eng-
lischen Regierung eine Demütigung, die das radikale Ministerium dem
Lande zugefügt habe.
„Daily News“: „Seine Erklärung über Rußland bedeutet, daß
unsere Verständigungen mit Frankreich und Rußland im Begriff sind, zu
ihrer ursprünglichen und allein zu rechtfertigenden Form zurückzukehren,
daß sie ein Bollwerk des Friedens und des internationalen Wohlwollens
sein sollen und keine Entschuldigung für ein Anfachen von Argwohn und
für ein Suchen nach Zank mit Deutschland. Alles dies zeigt, wie leicht
eine Aenderung in der Atmosphäre herbeigeführt werden könnte und tat-
sächlich herbeigeführt wird. Der Zeitpunkt für eine solche Aenderung könnte
nicht günstiger sein. Das nächste Jahr ist das letzte, in dem Deutschland
nach den Bestimmungen seines Flottengesetzes 4 Schlachtschiffe bauen wird."“
Die „Morning Post"“ sieht nicht viel Nutzen in gegenseitigen Er-
öffnungen über die Rüstungen, solange England über den Zweck der deut-
schen Flotte nicht beruhigt ist.