Fra#ntreich. (April 11.—23.) 537
Auch gegen die Auswüchse der Arbeiterstreiks wendet er sich sehr
energisch. Die politische und die Koalitionsfreiheit bestehen, aber
es müsse viel geschehen, um sie mit gesetzlichen Mitteln fortzuentwickeln.
Die Arbeiter müssen sich überzeugen, daß sie mit gewaltsamen Kund-
ebungen sich selbst am meisten schaden, denn sie gefährden mit ihrer
arikatur der Freiheit die Republik selbst, und sobald eine Bewegung
entsteht, die einer anderen Kategorie von Bürgern gefährlich ist, so wird
die Regierung ihre volle Pflicht tun.
Bei der Abfahrt pfiffen die mißvergnügten Sozialisten den Minister-
präsidenten aus. Es kam zu Prühgeleien, wobei Revolverschüsse fielen und
zehn Personen, darunter zwei Polizisten, verwundet wurden.
11. April. Der lange Streik der eingeschriebenen Seeleute ist
gescheitert.
Trotz eines Aufrufes der vereinigten Syndikatskammern der Ar.
beiter zum Generalausstande arbeiten sämtliche Kaiarbeiter weiter. Nur
in Marseille verzögert sich der Friedensschluß. (Siehe 12. u. 13. April.)
11. April. Deputierte aller Parteien veröffentlichen ein Mani-
fest zugunsten der Verhältniswahl.
12. April. Streiktumulte in Marseille.
Beim Angriff auf einen Straßenbahnwagen kommt es zu einem
Straßenkampf zwischen Arbeitern und Soldaten, wobei zahlreiche Personen
verwundet werden.
13. April. (Marseille.) Einengung des Streiks.
Infolge der Freilassung von sieben Seeleuten, die wegen Gehorsams-
verweigerung zu acht Tagen Gefängnis verurteilt waren, erklärt die Arbeits-
börse den Solidaritätsstreik für beendet und überläßt es den eingeschriebenen
Seeleuten allein den Kampf fortzusetzen.
18. April. Im Ministerium des Auswärtigen wird unter
dem Vorsitz des Ministers Pichon die Internationale Konferenz
zur Unterdrückung des Mädchenhandels und gegen die Verbreitung
der Schmutzliteratur eröffnet.
19. April. Urteil über Iswolski als Staatsmann.
Dem aus Italien in Paris eingetroffenen Minister Iswolski widmet
der „Eclair“ folgende seltsame Begrüßung: „Seit er Minister des Aus-
wärtigen ist, hat dieser Wirrkopf, den der Ehrgeiz verzehrt, nicht aufgehört,
sich wichtig zu machen, überall Schwierigkeiten zu schaffen, alle Streit-
fragen zu vergiften, seine Verbündeten in unangenehme Angelegenheiten zu
verwickeln. Nichts ist so schrecklich wie die Unfähigen, die große Politik
machen wollen. Die Anwesenheit Iswolskis in Paris erweckt den Verdacht,
daß er fortfährt, an irgendeinem großen Plan zu arbeiten. Hoffen wir,
daß er uns nicht zu Teilnehmern an der neuen Niederlage machen will,
die er sich vorbereitet.“
21. April. Roosevelt trifft in Paris ein.
21. April. Der ehemalige italienische auswärtige Minister
Tittoni tritt sein Amt als Botschafter an.
3. April. Der fahnenflüchtige Artillerieunteroffizier Deschamps
gesteht ein, das verschwundene Maschinengeschütz des 106. Infanterie-