Frankreich. (Juni 9. 24.) 541
entschlossen sind, im Geiste der Solidarität und des gegenseitigen Vertrauens
an ihrer gemeinsamen Durchführung zu arbeiten. Die Regierung wendet
sich ohne Ostrazismus und ohne persönliche Erregungen und Gefühl an
alle Männer, welche ehrlich und der Republik treu ergeben, ihr ohne Hinter-
gedanken und ohne Verleugnung ihrer Vergangenheit dienen wollen, in
Hinsicht auf eine gemeinsame ersprießliche zukünftige Tätigkeit. Die Re-
gierung wird von ihrer Mehrheit im Interesse des inneren Friedens des
Landes verlangen, die weltlichen Schulen zu erhalten und zu kräftigen und
gegen jeden Angriff der Reaktion zu schützen. Wir werden ohne irgend-
einen Glauben zu gefährden und ohne irgendein Gewissen zu verletzen,
die unerläßlichen Vorschläge machen zur Lösung des gesamten Schulproblems
lund zur Erhaltung der weltlichen Schulen, welche den Eckstein der Republik
edeuten.
9. Juni. Im Senat verlas der Justizminister Barthou das
Regierungsprogramm.
24. Juni. (Paris.) Bei dem Prunkmahl des Präsidenten zu
Ehren des Königs Ferdinand von Bulgarien werden überschweng-
liche Trinksprüche gewechselt.
Präsident Fallières sagte „Eure Majestät haben bei der Erhöhung
Bulgariens zum Königreich wieder einmal gezeigt, was man von Ihrer
hohen Weisheit, Ihrem politischen Geiste und Ihrer Friedensliebe erwarten
kann. Sie haben auf diese Weise das Werk gekrönt, dem Sie Ihr Leben
geweiht haben, das schönste Werk, das den Ehrgeiz eines Menschen locken
kann, da es sich in der Bejahung eines Volksbewußtseins zusammenfassen
läßt. Die bekannten Gefühle Eurer Majestät für Frankreich und die
Bande, die Sie an die geschichtliche Vergangenheit unseres Vaterlandes
knüpfen, haben Ihnen bei uns immer einen herzlichen Empfang gesichert.
Eure Majestät haben heute ein neues Zeugnis dieser Gesinnung empfangen.
Sie haben sehen können, welche Achtung und Zuneigung Frankreich für
die junge Nation empfindet, die Ihnen ihr Geschick anvertraut hat, und
die, ich zweisle nicht daran, unter Ihrer kostbaren Obhut fortfahren wird,
sich auf den Wegen der Gerechtigkeit, des gesellschaftlichen Fortschritts und
der friedlichen Entwicklung zu erheben."
In seiner Antwort sagte König Ferdinand: „Nach Petersburg
und Konstantinopel habe ich Frankreich meinen ersten Besuch vorbehalten,
dem Frankreich, das immer der selbstlose Vorkämpfer der edelsten Sachen
gewesen ist. Ich und mein Volk erinnern uns nämlich, daß es unter
schwierigen Verhältnissen dem jungen Bulgarien seine ausgiebige moralische
Unterstützung gewährt und im Morgenlande den Gedanken des Friedens
und Gleichgewichts, die seine Kraft in der Welt ausmachen, auf das glück-
lichste gedient hat. Die Zuvorkommenheit, mit der es die bulgarische Un-
abhängigkeit anerkannte, hat mächtig dazu beigetragen, uns Europas
Sympathien zuzuziehen. Frankreich und Bulgarien sind übrigens durch
dieselbe Hinneigung zu einem und demselben Ideal geeinigt. Wie Frankreich
ist auch das bulgarische Volk von tiefer Liebe zur Freiheit durchdrungen,
für deren Eroberung es lange gelitten und gekämpft hat. Es ist ein
leidenschaftlicher Bewunderer des Ruhmes Frankreichs, seines vielhundert!-
jährigen Kampfes für den Fortschritt der Menschlichkeitsgedanken und den
Triumph der Freiheit und des Rechts. Durch sein Schriftium, seine Künste,
die großen Entdeckungen seiner Gelehrten übt Frankreich in der Welt einen
hohen Einfluß aus, und es hat dem an Gesittung noch jungen bulgarischen
Volke großherzig den Schatz seiner Erfahrungen und seiner Gesittung ge-