Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Frankreich. (November 9.—21.) 549 
Die Erklärung erinnert sodann an die zugunsten der Arbeiter ins 
Werk gesetzten Reformen, namentlich an die Altersversorgung. Die Ar- 
beiter dürfen einzig vom Gesetz, nicht aber von Unordnung und Gewalttat 
ihre wirtschaftliche Befreiung erwarten. Es wird sich empfehlen, den gesetz- 
lichen Maßnahmen zur Vermeidung der unerträglichen Fälle von Sabotage 
und Anarchie, wie sie beim Eisenbahnerausstand zutage getreten sind, da- 
durch größeren Nachdruck zu verleihen, daß man durch sie die Urheber 
solcher Handlungen und die, die zu ihnen aufreizen, trifft. Die Freiheiten 
der Syndikate werden dadurch nicht berührt, sie sind unverletzlich wie die 
Freiheit der Arbeit. 
Die Regierungserklärung weist ferner auf die Notwendigkeit hin, 
die Berufssyndikate in ihren nützlichen Bestrebungen zu fördern und die 
Beteiligung der Arbeiter am Gewinn unter den bereits angegebenen Be- 
dingungen zu sichern. Die Regierung werde aber nicht dulden, daß die 
Syndikate eine gesellschaftsfeindliche politische Aktion organisierten. Es 
werde auch notwendig sein, die Syndikatsverbände derart auszugestalten, 
daß sie eine richtige Vertretung der Arbeiter darstellten, und die Frage 
des Ausstands der Angestellten der öffentlichen Betriebe unzweideutig zu 
regeln. Ein Schiedsgericht sei zwar ein vorzügliches Vorbeugungsmittel, 
könnte aber unwirksam sein. Es wäre unzulässig, daß Angestellte, die 
Sondervorteile genießen, durch Lähmung des öffentlichen Lebens das Vater- 
land in Gefahr brächten. Die Regierung werde eine Abstimmung über 
die Maßregeln fordern, die nötig seien, um den oöffentlichen Dienst im 
Falle eines Ausstandes der Angestellten der öffentlichen Betriebe sicher- 
zustellen. 
Dank dieser Maßnahmen werde die Republik, stark auch durch ihre 
Allianz und ihre freundschaftlichen Beziehungen, denen sie unabänderlich 
treu zu bleiben beabsichtige, inmitten der Nationen den Rang bewahren 
können, der ihr zukomme, werde ihrer Stimme nach außen Geltung ver- 
schaffen und in den Beziehungen zu den anderen Staaten die traditionelle 
Politik üben können, die die Größe Frankreichs geschaffen habe. 
Die Regierung sei entschlossen, die militärische Macht, die sichere 
Garantie des internationalen Friedens und das Unterpfand der nationalen 
Würde, zu stärken. Die Regierung rechne schließlich darauf, daß das 
Parlament das Marineprogramm annehmen werde. 
9. November. (Kammer.) Nach stürmischer Debatte wird 
ein Vertrauensvotum für Briand mit 296 gegen 209 Stimmen 
angenommen. 
10. November. (Senat.) Der Ausschuß für die Anderung 
des Militärstrafgesetzes beschließt die Abschaffung der Todesstrafe 
für militärische Verbrechen im Frieden. 
20. November. (Paris.) Attentat auf Briand. 
Bei der Enthüllung des Denkmals für Jules Ferry im Tuilerien- 
garten wird Ministerpräsident Briand, der die Gedächtnisrede gehalten 
hatte, von dem Tischler Lacour, einem „Camelot du Roi“, tätlich an- 
gegriffen. Die Strafkammer verurteilt am 6. Dezember Lacour zu drei 
Jahren Gefängnis. 
21. November. (Dijon.) Das Kriegerdenkmal für die 
pommerschen Offiziere und Soldaten, die in den blutigen Kämpfen
	        
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