Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

VII. 
Italien. 
3. Januar. Die Militärverwaltung errichtet auf dem Schieß- 
platz des Bosco Mantico bei Verona eine Luftschiffsstation. 
W. Januar. Der Herzog Franceso von Campobello, ein 
Neffe des Kardinals Rampolla, flüchtete, nachdem er große Wechsel 
auf den Namen seines Onkels gefälscht hatte. 
30. Januar. (Brescia.) Die „deutsche Eroberung“ des 
Gardasees. 
Der nationalistisch-italienische Verband für den Gardasee schließt 
seine Tagung mit einer großen Enttäuschung. Man wollte gegen die an- 
gebliche Eroberung des Gardasees durch die Deutschen opponieren, und 
das römische „Giornale d'Italia“, der Irredentistische Verband Trento e 
Trieste, sowie einige Advokaten aus Verona und Mantua hatten den „Feld- 
zug“" gegen die Deutschen wegen ihrer Ueberzahl unter den Kurgästen am 
Gardasee unter ihr Patronat genommen. Da aber die Bevölkerung dieser 
Gegend gegen die Propaganda als eine schwere Schädigung ihrer Inter- 
essen opponierte, so mußten die Abgesandten vom Gardasee in Brescia 
erklären, daß die Germanisationsgefahr trotz des deutschen Wochenblattes 
„Der Bote vom Gardasee“ und der deutschen Geschäftsfirmen in Gardone 
ein Popanz sei. 
11. Februar. (Kammer.) Sonninos Regierungsprogramm. 
Der Ministerpräsident kündigte vor allem die Vorlage über die 
Schiffahrtssubventionen an. Die nationalen Werften sollen unter- 
stützt und die freie Schiffahrt gefördert werden durch Frachtvergütungen 
einerseits für die Einfuhr von Rohstoffen in italienische Häfen, wofern diese 
Stoffe in Italien verarbeitet werden, andererseits für die Ausfuhr von 
Erzeugnissen des Ackerbaus und der Industrie. Feste Subventionen sollen 
nur Linien erhalten, die postalischen oder politischen Charakter haben. Die 
vorgeschlagenen Maßnahmen werden das Budget zusammen mit 30 Mil- 
lionen Lire jährlich belasten, wovon 15 Millionen auf feste Subventionen 
entfallen. Die Regierung hofft, daß infolge dieser Maßnahmen die italie- 
nische Flagge ein mächtiges Werkzeug wirtschaftlicher Expansion sein werde. 
Herr Sonnino brachte weiter das Gesetz über die Errichtung 
eines Eisenbahnministeriums ein und erklärte, wenn auch die be- 
stehende Organisation in allgemeinen Umrissen gewahrt bleiben solle, so 
werde der neue Minister doch nach entsprechender Erfahrung in der Lage 
sein, Verbesserungen vorzuschlagen, damit der Betrieb der Bahnen nach 
Ueberwindung der ersten Schwierigkeiten immer mehr den Anforderungen 
des Landes entsprechen könne. 
Ferner brachte Sonnino einen Gesetzentwurf über die Abtrennung 
des Ministeriums für Ackerbau und Forsten von dem für Arbeit, Industrie 
 
	        
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