556 Stalien. (Februar 12. 14.)
gerechter Weise nach einem Tarif mit mäßiger Progression auf das ganze
Land ausgedehnt werden. Die Steuerreform soll womöglich eine Besser-
stellung der Gemeinden, unter keinen Umständen deren Schädigung zur
Folge haben.
Die Vorschläge zur Reform der Elementarschulen beachsich-
tigen eine nachdrückliche Bekämpfung des Analphabetentums, die als eine
nationale Aufgabe ersten Ranges bezeichnet wird. Zu diesem Zweck wird
eine mit weitgehender Selbständigkeit ausgestattete, aber unter staatlicher
Aussicht stehende Provinzialverwaltung für das Elementarschulwesen ge-
schaffen. Diese Provinzialbehörden verwalten das Elementarschulwesen in
kleineren Orten unmittelbar, während sie in größeren die Oberausfsicht
führen. Die Kosten der Elementarschulen in den kleinen Gemeinden
werden vom Staat übernommen. Die Gemeinden sollen lediglich die per-
sönlichen Kosten tragen, die sie schon bisher getragen haben, sowie die
Kosten für Schullokale und Schulgeräte. Um den Gemeinden die Lösung
dieser Aufgabe zu erleichtern, soll ihnen ein Kredit von 240 Millionen
Lire überwiesen werden, dessen Verzinsung der Staat übernehmen wird
und der in fünfzig Jahren amortisiert werden soll. Der Entwurf ver-
bessert auch die Lage der Lehrer und bezweckt eine Vermehrung der Abend-
und Feiertagsschulen. Die zur Hebung des Elementarunterrichtes ge-
troffenen Maßnahmen werden das Budget im nächsten Rechnungsjahre
mit einer Mehrausgabe von 7 Millionen belasten, 1911/1912 20 Millionen
erfordern und im Verlaufe von sieben Jahren allmählich eine Mehrausgabe
von 40 Millionen herbeiführen. Um diese Ausgaben decken zu können,
schlägt Sonnino eine leichte Erhöhung der Zigarettenstener und eine leichte
und allmählich wachsende Vermehrung der Besteuerung des im Inlande
erzeugten Zuckers vor, eine Besteuerung, die übrigens nur den erstklassigen
Zucker treffen soll und den Zuckerzoll ganz unberührt lassen wird.
Weiter beantragt Sonnino, aus Anlaß der Fünfzigjahrfeier
der nationalen Wiedergeburt Pensionen für die Ueberlebenden der Tausend
von Marsala, die Ausschreibung von öffentlichen Festen in Palermo im
kommenden Frühjahr und einen Staatsbeitrag von 50000 Lire für das
Denkmal zum Andenken an den Sieg über die päpstlichen Truppen bei
Castel Fidarde. Sonnino schloß: Wenn Sie die Vorschläge der Regierung
billigen, werden Sie im Jahre 1910 den ersten wichtigen Schritt auf dem
Wege zur Erfüllung eines reichhaltigen Programms tun, das dem wirt-
schaftlichen Fortschritt und dem sozialen Frieden dienen will. -
12. Februar. (Kammer.) Mit 193 Stimmen, darunter
130 Giolittianern, erhält das Ministerium ein Vertrauensvotum,
während die Hälfte der äußersten Linken den Saal verließ.
14. Februar. (Kammer.) Das Hinterland von Tripolis.
Auf eine Frage des Abgeordneten Fürsten Colonna über den Schutz
der italienischen Interessen im Hinterlande von Tripolis angesichts der
Haltung einiger europäischen Mächte erklärte der Minister des Auswärtigen
Guicciardini: „Die ottomanischen Provinzen in Nordafrika bedeuten für
uns einen Faktor ersten Ranges für die Aufrechterhaltung des Gleich-
gewichts am Mittelmeer. Demgemäß ist es ein unabänderlicher Grundsatz
der italienischen Politik, daß auch in Afrika die Integrität des Ottoma-
nischen Reiches gewahrt werden muß. Wenn der Abgeordnete fürchten
sollte, daß dieser Grundsatz unserer Politik verletzt werden sollte, kann ich
ihn bernhigen. Die Integrität des ottomanischen Besitzes in Afrika ist
niemals besser geschützt gewesen als heute; verbürgt durch allgemeine Ver-