Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

564 Rämische Hurie. (März 23.—Mai 26.) 
23. März. Audienz des deutschen Reichskanzlers v. Bethmann 
Hollweg beim Papste. 
27. März. Der „Osservatore Romano“ verbffentlicht die 
Dienstentlassung des Grafen Edoardo Soderini, der als Geheim- 
kämmerer und offiziöser Historiker hohes Ansehen genoß. 
4. April. Roosevelt in Rom, ohne den Papfst zu sehen. 
Präsident Roosevelt verzichtet nach seiner Ankunft in Rom auf die 
erbetene Audienz beim Papste, weil die Bedingung daran geknünpft war, 
daß nichts Anstößiges von der Art geschehe, wie es jüngst der nordamerika- 
nische Vizepräsident Fairbank begangen hatte. Dieser hatte nämlich einen 
Vortrag in einer Methodistenkirche gehalten. 
6. April. Dem Kölner Männer-Gesangverein wird eine ihm 
vom Kardinal-Erzbischof Fischer versprochene Audienz beim Paypste 
verweigert, weil er vor dem König gesungen habe. 
18. April. Keine Annäherung an Roosevelt gestattet. 
Der Papst befiehlt die Maßregelung des Pater Janssens, eines 
Benediktiners, der Roosevelt in Rom aufgesucht und ihm schriftlich seine 
Zustimmung ausgedrückt hat. Ebenso wird erklärt, daß der Wiener Nuntius 
keinen ftrag hatte, Roosevelt zu besuchen. (Siehe Oesterreich-Ungarn 
.April! 
27. April. Die Staatskanzlei versendet an alle Nuntien 
einen Protest des Heiligen Stuhles gegen die Reise des Fürsten 
von Monaco nach Rom. 
26. Mai. Borromäus-Enzyklika. 
Anläßlich des 300 jährigen Gedenktages der Heiligsprechung des 
Karl Borromäus, eines Nepoten des Papstes Pius IV. und Hauptförderers 
der Gegenreformation, erläßt der Papst eine Enzyklika Editae saepe, die 
in ihrem historischen Rückblick auf die Reformation die folgende Stelle ent- 
hält: „Inmitten dieser Uebel erstanden hochmütige und rebellische Männer; 
Feinde des Kreuzes Christi; Männer irdischen Sinnes, deren Gott der 
Bauch ist. Diese suchten nicht die Sitten zu verbessern, sondern leugneten 
die Dogmen, vermehrten die Unordnung und lockerten zu ihrem und anderer 
Nutzen die Zügel der Freiheit. Sie verachteten, indem sie den Leiden- 
schaften der am meisten korrumpierten Fürsten und Völker folgten, die 
Autorität und Führung der Kirche und zerstörten fast tyrannisch ihre Lehre, 
Verfassung und Disziplin. Alsdann ahmten sie jenen Bösen nach, denen 
die Drohung gilt: „Wehe euch, die ihr das Böse gut nennt und das 
Gute böse!“ Diesen Tumult der Rebellion und diese Perversion des 
Glaubens und der Sitten nannten sie Reformation und sich die Refor- 
matoren, aber in Wahrheit waren sie Verderber, entnervt durch Uneinig- 
keit und Krieg. Sie bereiteten die Rebellion und Apostasie moderner Zeit 
vor und entfachten die dreifache Verfolgung, gegen welche die Kirche bisher 
einzeln siegreich zu kämpfen hatte, nämlich erstens die blutige Verfolgung 
der ersten Jahrhunderte, zweitens die häusliche endemische Pest der Häresien 
und drittens unter dem Namen evangelischer Freiheit jene Kor- 
ruption der Laster und Perversion der Disziplin, die das Mittelalter so 
nicht kannte."“
	        
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