Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Türkei. (Januar 18.—Februar 8.) 603 
zösische Botschafter i in Konstantinopel die Respektierung des französischen Pro- 
tektorats in Tunis und erklärte den Firman von 1871 als rechtlich nicht vor- 
handen, weil er der französischen Regierung niemals amtlich vorgelegt wurde. 
18. Januar. Panislamismus. 
Ein Fetwa des Scheik ül Islam, das alle Mohammedaner, die 
das Kalifat des Konstantinopeler Sultans anerkennen, zu Geldsammlungen 
für die Verstärkung der türkischen Flotte auffordert, wird auch in den 
Moscheen Indiens, Egyptens, Afghanistans und Beludschistans verlesen. 
19. Januar. Brand des Parlamentsgebäudes. 
Durch eine Explosion des Heizapparates brennt der Prachtpalast 
von Tschiragan, der dem Parlament als Heim diente, vollständig nieder. 
20. Januar. Kretische Frage. 
Die Pforte richtet an alle Großmächte durch Vermittelung der tür- 
kischen Botschaften eine Note, worin sie gegen den Gebrauch der neu be- 
stellten kretischen Briefmarken mit dem Aufdruck „Hellas“ sowie da- 
gegen Einspruch erhebt, daß fortgesetzt Gerichtsentscheidungen im Namen 
des Königs der Hellenen gefällt werden. 
24. Januar. Die Kammer billigt mit 187 Stimmen gegen 
34 das Programm des neuen Großwesirs Hakki Pascha: 
Nach der Verlesung des Programms, welches in der Erklärung 
gipfelt, daß sich die Türkei bemühen werde, im Konzert der Mächte ein 
wichtiges Element des Friedens zu bilden, besprach der Großwesir einige 
Hauptpunkte, besonders die Wiederherstellung normaler Verhältnisse und 
wies auf die Notwendigkeit hin, Reformen im YDemen einzuführen, wo 
eine regelrechte Verwaltung ganz fehle. Bezüglich der Kretafrage hob 
der Großwesir hervor, die Türkei befolge eine gerechtere Politik und werde 
Kreta eine weitgehende Autonomie gewähren; aber die türkischen Rechte 
würden es nicht erlauben, daß sich ein anderer Staat einmische. Unsere 
Freunde, erklärte der Großwesir, verstehen unsere Wünsche; wir dürfen sie 
nicht allzusehr belästigen. Die Regierung werde auch die Kretafrage mit 
Umsicht behandeln. (Beifall.) 
29. Januar. Trotz Beilegung des Grenzzwischenfalles mit 
Bulgarien werden das 2. und 3. Korps in Kriegsbereitschaft gesetzt 
und Pferdeeinkäufe im In= und Auslande angeordnet. Das gilt 
als Warnungssignal für Griechenland. 
2. Februar. (Saloniki.) Die Redifjahrgänge 1904/06 in 
Stärke von 20 bis 25000 Mann find einberufen worden. 
4. Februar. (Kreta.) Dem Exekutivkomitee werden Vor- 
schläge der vier Schutzmächte mitgeteilt, um griechisch-türkische Ver- 
wicklungen zu verhindern. 
6. Februar. Der Sultan stiftet dem Flottenverein ein Zwölftel 
seiner Zivilliste, etwa 475000 Mark. 
8. Febrnar. Das Schriftsystem der Albanesen. 
Die Versammlung in Pristina fordert einstimmig das arabische 
Alphabet für die Schulen. Das albanesische Volk schloß die neuen Schulen 
in Gillan und verbrannte die Schulbücher in lateinischer Schrift.
	        
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