620 Rumãnien. (Juni 20.—November 28.)
Auf dem genannten rumänischen Postdampfer war in Alexandrien
ein rumänischer Deserteur eingeschifft worden, der in Athen als Grieche
gilt. Um ihn zu befreien und angeblich zwei andere Griechen, die an die
türkischen Behörden ausgeliefert werden sollten, zu retten, erschienen im
Piräus mehrere hundert Griechen, plünderten das Schiff, mißhandelten
türkische Passagiere und verhafteten 3 egyptische Prinzen als Spione der
türkischen Regierung.
20. Juni. (Bukarest.) Bei einer großen anteigriechischen
Volksversammlung protestieren Redner aller Parteien gegen die
Vorgänge im Piräus.
24. Juni. Konflikt mit Griechenland.
Die Antwort Griechenlands auf die rumänische Note befriedigt die
Regierung und die öffentliche Meinung nicht.
20. August. Konflikt mit Griechenland.
Die Regierung übermittelt dem diplomatlischen Korps ein Grünbuch
über den griechisch-rumänischen Zwischenfall im Piräus.
Mitte September. Die angebliche Militärkonvention mit
der Türkei.
Die Regierung dementiert die von London und Paris aus ver-
kündete geheime Militärkonvention mit der Türkei. Rumänien soll an-
geblich nur als Brücke zur Türkei in die hohe Politik hineingezogen worden
sein, weil Italien gegen die direkte Angliederung der Türkei an den Drei-
bund Widerspruch erhoben habe.
Die offiziöse „Indépendance Roumaine“ schreibt: Infolge der vom
„Matin“ lanzierten unrichtigen Meldungen hätten gewisse internationale
Organe Behauptungen aufgestellt, in denen die rumänische Politik voll-
ständig entstellt ist. Diese gab schon so viele Beweise ihrer Aufrichtigkeit,
daß die Phantasien eines Journalisten ihre Loyalität in den internatio-
nalen Beziehungen nicht in Verdacht bringen könnten.
28. November. Eröffnung der vierten und letzten Session des
Parlaments durch eine Thronrede des Königs.
Die Gesetze betreffend die Gemeindeverwaltung, die Gendarmerie,
die Maßnahmen gegen den Alkoholismus und die Förderung des Volks-
schulunterrichts hätten den Landgemeinden eine gedeihliche Entwicklung
gesichert. Die Hebung des Eisenbahnwesens, die Ausgestaltung des Hafens
Konstanza, die Errichtung eines eigenen Ministeriums für Handel und
Industrie, die Förderung der Volksbanken und der ländlichen Wirtschafts-
genossenschaften, der Handelsvertrag mit Oesterreich-Ungarn hätten zur
Vergrößerung des nationalen Wohlstandes beigetragen. Dieser habe sich
in den letzten Jahren derart gehoben, daß die finanzielle Lage heute gün-
stiger sei als je zuvor. Die Thronrede weist auf eine Reihe von Gesetzen,
welche im Interesse der städtischen Bevölkerung geschaffen seien und erwähnt
die Ausdehnung des konstitutionellen Regimes auf die Dobrudscha, wo-
durch diese Landstriche mit dem Mutterlande endgültig verbunden worden
seien. Die Thronrede verweist darauf, daß Rumänien dank den getroffenen
Maßnahmen von der Cholera verschont geblieben sei. Die Herbstmanöver
hätten Gelegenheit gegeben, festzustellen, daß die rumänische Armee jeder-
zeit in der Lage sei, den Erwartungen der Nation zu entsprechen. Mit
der ruhigen Entschlossenheit, die es sich durch seine stets wachsenden Kräfte