Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

628 Griechenland. (März 17.—30.) 
17. März. Die Türkei und die thessalische Bauernbewegung. 
Wegen der unter den Bauern Thessaliens herrschenden Bewegung 
gegen die mohammedanischen Grundbesitzer hat die Pforte unter Berufung 
auf die durch den Vertrag vom Jahre 1881 von der griechischen Re- 
gierung übernommene Pflicht, die Rechte der Mohammedaner Thessaliens 
zu schützen, sowie unter Berufung auf die gute Behandlung der in der 
Türkei lebenden hellenischen Staatsangehörigen das griechische Kabinett 
aufgefordert, Maßregeln zum Schutz der Grundbesitzer zu treffen, widrigen- 
falls die Pforte genötigt wäre, alle bestehenden türkisch-griechischen Ver- 
träge zu kündigen. 
19. März. Die thessalischen Bauern versuchen, einen Zug auf 
der Station Larissa gewaltsam festzuhalten. 
Sie werden vom Militär zurückgedrängt, wobei 6 Bauern getötet 
und 30 verwundet werden. Auch gegen die Besitzergreifung von Gütern 
muß Militär einschreiten, wobei 20 Bauern getötet und 100 Bauern ver- 
wundet werden. 
25. März. Das griechische Budget. 
In Abänderung der Budgetvorlage der früheren Regierung legt 
der Premierminister den Voranschlag für das laufende Jahr vor, der bei 
rund 142 Millionen Drachmen Einnahmen und Ausgaben mit einem Ueber- 
schuß von 100000 Drachmen abschließt. Der Premierminister gab zu, daß 
tatsächlich ein Defizit resultiert. Gegenüber den Abschlüssen der Vorjahre 
steigen die Einnahmen und Ausgaben um 18 Millionen, während das 
Erträgnis der neuen Steuern höchstens 6 Millionen ausmacht. Zum 
Dienst der projektierten Anleihe sind nur 4 Millionen angesetzt. Die 
ordentlichen Ausgaben für dieses Jahr wachsen um 3½ Millionen, für 
die militärische Gendarmerie um 2 Millionen. Ueber die Höhe der außer- 
ordentlichen Heeresausgaben machte der Premierminister keine Angaben. 
Die angekündigten Ersparnisse treten in keinem Ressort ein, nur im Mi- 
nisterium des Aeußern werden die Ausgaben, namentlich die mazedonischen, 
eingeschränkt. 
30. März. Eröffnung der außerordentlichen Tagung der 
Kammer durch folgende Thronrede: 
Meine Herren Abgeordneten! Die Umstände, unter welchen Sie 
zu einer außerordentlichen Tagung einberufen worden sind, sind Ihnen 
wohlbekannt, Sie sind gerufen worden, um entsprechend dem Geist der 
Verfassung an einem Reformwerk zu arbeiten, das die konstitutionellen 
Bestimmungen sowohl nach innen wie nach außen wirksam machen soll. 
Seit Mitte August vorigen Jahres hat die durch ein peinliches nationales 
Hindernis hervorgerufene Agitation angedauert; die schwere politische Krisis 
drohte in einer Sackgasse zu enden, denn eine regellose Aktion kennzeichnete 
den überreizten Willen der öffentlichen Meinung, zum Zwecke der Wieder- 
aufrichtung des Landes und zur Befestigung des Regimes, mit dem die 
nationalen Bestrebungen unlöslich verbunden sind, eine Aenderung der 
politischen Methoden durchzusetzen. Ein einziger Ausweg schien sich zu 
bieten; er wurde mir bei Gelegenheit des Rücktritts meiner Minister und 
weiterhin von allen um meinen Thron vereinigten politischen Autoritäten 
des Landes bezeichnet. Meine Herren Abgeordneten! Ich bin glücklich, 
feststellen zu können, daß sich das Parlament beinahe einmütig dieser An- 
schauunngsweise angeschlossen hat, wie das aus der Abstimmung vom 
18. Februar a. St. hervorgeht, durch die die Kammer den Vorschlag an-
	        
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