Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

358 Großbritannien. (Juli 27.) 
Mitglieder der Regierung zurückzuführen, sich aus erster Hand über die 
Faktoren des Problems und den Fortschritt der Verhandlungen unterrichtet 
zu halten. Es sei zu bemerken, daß die Erklärung des Premierministers 
im Unterhause, ols Deutschlands Aktion in Agadir bekannt wurde, sich auf 
die neugeschaffene Situation in Marokko bezog und auf die Absicht der 
britischen Regierung, alle britischen Interessen in Marokko zu schützen, die 
berührt werden könnten. Man empfinde keinen Zweifel, daß, wenn irgend- 
eine Lösung außerhalb Marokkos gefunden werde, die Frankreich befriedige, 
sie sich für die britischen Interessen nicht als schädlich erweisen werde. 
sei völlig unrichtig anzunehmen, daß die britische Regierung in irgendeiner 
Weise den Verhandlungen eine Schranke zu setzen suche, abgesehen von den 
Erwägungen, die in der Erklärung des Premierministers im Unterhause 
auseinandergesetzt worden seien. 
27. Juli. (Unterhaus.) Rede des Premierministers Asquith 
(nebst anschließender Debatte) über die Marokkofrage: 
„Vor zwei Tagen habe ich erklärt, daß es bequemer sein würde, 
wenn ich anstatt auf eine Frage aus dem Hause zu antworten, die Gelegen- 
heit dieser Debatte ergreife, um eine Erklärung über eine Frage abzugeben, 
die in sehr großem Maßstabe und allgemein die öffentliche Aufmerksamkeit 
auf alle Fälle erregt, wenn sie sie nicht gänzlich absorbiert. Ich meine die 
Frage, welche im Gebiet der internationalen Politik bezüglich Marokkos 
entstanden ist. Ich denke, es wird sowohl von allgemeinem Interesse wie 
dem Hause genehm sein, wenn ich die Erklärung sofort abgebe, bevor die 
Debatte begonnen hat. Augenscheinlich ist diese marokkanische Frage auf 
einem Punkte angelangt, wo sie in wachsendem Maße Schwierigkeiten, 
Beunruhigung und Besorgnis hervorrufen wird, wenn nicht eine Lösung 
gefunden wird. Im gegenwärtigen Augenblick zu genau auf die Ursachen 
und die Vorgänge einzugehen, möchte in mehr als einem Kreise Bean- 
standung und Widerspruch herausfordern, was unter allen Umständen ver- 
mieden werden sollte. (Beifall.) Ich beabsichtige daher, einfach dem Hause 
darzulegen, welches heute die tatsächliche Lage ist. Zwischen Frankreich 
und Deutschland sind Besprechungen im Gange. Wir nehmen keinen Teil 
an diesen Besprechungen. Der Verhandlungsgegenstand mag die englischen. 
Interessen nicht berühren. Solange wir nicht das Endresultat kennen, 
können wir über diesen Punkt keine abschließende Meinung ausdrücken. 
Aber es ist unser Wunsch, daß diese Unterredungen zu einer für beide 
Parteien ehrenvollen und befriedigenden Vereinbarung führen möchten, von 
der die britische Regierung aufrichtig sagen kann, daß sie den britischen 
Interessen in keiner Weise präjudiziert. Wir glauben, daß dies vollständig 
möglich ist, und hegen den ernsten und ehrlichen Wunsch, daß es erreicht 
werden möge. Die Marokkofrage selbst starrt von Schwierigkeiten, aber 
außerhalb Marokkos, in anderen Teilen von Westafrika, denken wir nicht 
daran, eine Einmischung in territoriale Abmachungen zu versuchen, die 
von den näher Interessierten für zweckmäßig erachtet werden. Die Be- 
hauptung, daß wir uns in dieser Weise eingemischt und den Verhandlungen 
zwischen Frankreich und Deutschland präjudiziert hätten, ist tatsächlich eine 
böswillige Erfindung ohne eine Spur von Begründung. Wir haben es 
von Anfang an für richtig gehalten, es klarzulegen, daß, wenn eine Verein- 
barung der erwähnten Art nicht zustande käme, wir einen aktiven Anteil 
an der Erörterung der Lage nehmen müßten. Das wäre unser Recht als 
Signatarmacht des Algecirasvertrages, es könnte unsere Verpflichtung sein, 
nach den Bestimmungen unseres Abkommens mit Frankreich aus dem 
Jahre 1904 und es könnnte unsere Schuldigkeit sein zur Verteidigung der
	        
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