Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

Fra#kreich. (Juni 22., 23.) 421 
zwischen Frankreich und Deutschland einzutreten, da von dem Frieden 
beider Länder die Existenz Elsaß-Lothringens abhänge. 
22. Juni. (Senat.) Delcaffé über die Ausgaben der Flotte. 
Der Minister tadelte die frühere Regierung, daß sie 1909, als mit 
Deutschland über die Deserteure von Casablanca verhandelt wurde, nicht 
die erforderliche Seemacht bereitgestellt habe. Jetzt sei es anders. Nur noch 
6 bis 8 Wochen Geduld, „um fünf von den sechs Linienschiffen des Typ 
„Danton“ fertigzustellen, und dann noch ein Jahr sympathischen Vertrauens, 
um für die sechs „Dantons" allen Bedingungen entsprechende Docks zu 
schaffen, deren Zahl sogar sechs überschreiten soll. Der notwendige Kohlen- 
vorrat und die allgemeine Ausrüstung werden freilich erhebliche Nachtrags- 
kosten verursachen. Darauf müssen Sie sich schon jetzt gefaßt machen. Aber 
ich hoffe, große Summen dadurch zu ersparen, daß sich die früher so häufig 
notwendig gewordenen Abänderungen im Bau begriffener Kriegsschiffe sortan 
auf ein Minimum werden reduzieren lassen. Die Kaders unseres Seeoffizier- 
korps zu verjüngen und schwer zu ersetzende Spezialisten, wenn auch mit 
großen Opfern, dem Marinedienste zu erhalten, lasse ich mir ernstlich an- 
gelegen sein. Alles in allem habe ich den bestimmten Eindruck, daß das 
Jahr 1911 den Beginn einer neuen, hoffentlich segensreichen Aera für die 
französische Seemacht bedeutet.“ 
W3. Juni. Beschädigungen von Kriegsschiffen. 
Das neue Panzerschiff „Mirabeau“ in Toulon, dessen zu tiefes 
Eintauchen ins Wasser bemängelt wird, erleidet unmittelbar vor der 
offiziellen Versuchsfahrt einen Schraubenbruch. In Cherbourg wird das 
Unterseeboot „Rubis“ beschädigt und der Torpedobootszerstörer „Janissaire" 
büßt während der Versuche 7 Knoten seiner Anfangsgeschwindigkeit ein. 
W. Juni. (Paris.) Ein Berliner Telegramm des „Echo 
de Paris"“ über die Kompensationen für Marokko: 
Wenn von Kompensationen gegenüber Deutschland überhaupt die 
Rede sein könne, so dürften diese nur auf einem außerhalb Marokkos 
gelegenen Gebiete zu suchen sein. Man habe von einer Grenzregulierung 
in Innerafrika gesprochen. Dies dürfe Frankreich aber nur bewilligen, 
wenn das Gewicht einer solchen Regulierung dem in Marokko geleisteten 
Dienst entspräche. Innerhalb Marokkos wolle Frankreich aus drei Gründen 
keine deutsche Nachbarschaft, die gefährlich sein würde, weil sie notgedrungen 
expansiv wäre. Wenn man Frankreich einen Hafen in Marokko gäbe, so 
hätte das keine große Bedeutung, weil Frankreich daraus nichts zu machen 
wüßte. Deutschland dagegen würde daraus morgen eine ganze Provinz 
und übermorgen ein kleines Reich machen, und dieses Reich würde schließ- 
lich das ganze französische Afrika bedrohen. Ferner habe Frankreich keinerlei 
Besitztitel in Marokko, könne daher dort auch nichts an Deutschland zedieren. 
Drittens endlich habe Frankreich Verpflichtungen gegenüber England in 
Marokko übernommen, die nicht außer acht gelassen werden dürften. Doch 
die Diplomaten seien subtile Leute, vielleicht fänden sie eine für Deutsch- 
land lukrative Lösung. 
23. Juni. (Kammer.) Die Frage des Oberkommandos im 
Kriegsfalle. Demission des Kabinetts Monis. 
Abg. André Hesse interpellierte den Kriegsminister über seine An- 
schauung betr. das Oberkommando im Rriege, da dieser vor wenigen Tagen 
im Senat gesagt hätte, daß es zurzeit keinen Generalissimus, sondern nur
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.