Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

Frankreich. (September 1.—7.) 431 
1. September. Teuerungsunruhen in St. Quentin, Lenas, 
Denain und andern Industrieorten. 
2. September. (Paris.) Gräfin Montignoso (Frau Toselli), 
die ehemalige Kronprinzessin Luise von Sachsen, beginnt im „Matin“ 
„Die Geschichte meines Lebens“ zu veröffentlichen. 
4. September. (Toulon.) Der Marineminister Delcassé über 
die Flottenparade. 
In einer Rede vor den Journalisten sagt der Minister, daß er nicht 
eine Parade, sondern eine nationale Kundgebung zur See beabsichtigt habe. 
„Ich hätte alle Einheiten vom Typ „Danton“ hier präsentieren können, 
aber ich wollte nicht dem Beispiel Deutschlands folgen, das an der Kieler 
Parade Dreadnoughts teilnehmen läßt, die noch nicht einmal ihre Versuchs- 
fahrten gemacht haben.“ Ziemlich skeptisch sprach der Minister über das 
dritte französische Geschwader. „Ja es ist wahr, daß unser drittes Ge- 
schwader sich nicht auf der Höhe der Zeit befindet, aber es teilt dieses 
Schicksal mit dem dritten Geschwader der Marinen anderer Staaten, und 
schließlich bleibt es ja doch die foupgsache, daß auf den alten Schiffen 
Geschütze sich befinden, die eine befriedigende Treffsicherheit besitzen.“ 
6. September. Die „Temps“ veröffentlicht folgenden Vor- 
schlag eines Statuts für Marokko: 
Den künftigen französischen Residenten in Fez soll eine Anzahl 
französischer Kommissare unterstützen, welche den scherifischen Behörden für 
alle Zweige der Verwaltung, der Finanzen und der Justiz als Kontroll- 
organe beizugeben sind. Die diplomatischen Beziehungen Marokkos stehen 
gleichfalls unter der Kontrolle des Residenten, der darüber zu wachen hat, 
daß alle früheren Verträge Marokkos mit europäischen Mächten respektiert 
werden. Eine von Frankreich zu schaffende marokkanische Staatsschulden- 
kommission sichert dem Sultan die Zivilliste und wird mit der Konversion 
bezw. Liquidation der älteren Staatsschulden betraut. Frankreich behält 
sich die oberste Kontrolle aller zu vergebenden öffentlichen Arbeiten vor, 
doch will Frankreich diese Arbeiten keineswegs monopolisieren. Was die 
von Deutschland beanspruchten Grubenkonzessionen betrifft, so will sich 
Frankreich in diesen Punkten durchaus entgegenkommend zeigen, doch nur 
unter zwei Bedingungen: 
1. darf das Interesse eines Dritten keineswegs verletzt werden, 
2. würde Deutschland sich zu verpflichten haben, den Preis für diese 
Konzessionen zu entrichten. 
7. September. Balancierung des Budgets für 1912. 
Der Entwurf des Budgets für 1912 sieht Ausgaben von etwas mehr 
als 4½ Milliarden Franks vor, so daß nach dem Voranschlag der Ein- 
nahmen ein Defizit von 178 Millionen Franks bliebe. Da seine Vorgänger 
dem Parlament versprochen haben, „keine neuen Steuern, keine neue An- 
leihe“, so schlägt der Finanzminister dem Ministerrat folgende Maßregeln 
vor: 1. Eine strengere Beaufsichtigung der Steuerhinterziehung bei Ver- 
käufen von Immobilien und Mobilien, die 2½ Millionen ergeben soll; 
2. eine Taxe von 5 Cts. pro Mille für die Operationen an der Waren- 
börse, die 4 Millionen ergeben soll; 3. eine Berichtigung der Taxe für 
die Garantien der Edelmetalle, die 1900 000 Fr. ergeben soll; 4. Schaffung 
einer Taxe für die Beleuchtungsapparate von Gas und Elektrizität, die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.