Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

F#ich. (Oktober 12.—21.) 437 
wortete, wenn Piou eine Frage gestellt hätte, so hätte der Minister rund 
heraus erklärt, daß er sie nicht beantworten könne. Das Parlament habe 
der Regierung Kredit gewährt und die Regierung sei zum Schweigen ver- 
pflichtet, das gerade im gegenwärtigen Augenblick so notwendig sei. Die 
Regierung fühle die ganze Schwere der Verantwortlichkeit, die auf ihr laste. 
Sie werde sich nicht erlauben, ein Wort laut werden zu lassen, das die 
Verhandlungen stören könnte. Er bitte die Kommission, an den Kredit, 
den ihm die Kammer gewährt habe, nicht zu rühren. Der Minister betonte 
sodann: das, was Piou wolle, sei eine Kundgebung von seiten der Kom- 
mission. Diese werde nicht in Unkenntnis der Dinge eine Kundgebung 
unternehmen wollen, die gefährlich sein könnte. In kurzem werde man 
dem Parlament sagen, was man getan habe; es werde dann über das 
vollendete Werk und über die erzielten Ergebnisse urteilen. Im Vertrauen 
auf den Patriotismus der ganzen Budgetkommission wie auf den aller guten 
Franzosen bitte er, der Minister, die gegenwärtigen Schwierigkeiten nicht 
noch zu vermehren. 
12. Oktober. Nach einer Verfügung des Marineministers 
Delcassé dürfen die Kriegsschiffe nur Pulver führen, das noch nicht 
vier Jahre alt ist. 
14. Oktober. Eine Friedensmahnung des „Figaro“ an den 
deutschen Kaiser. 
„Ein Herrscher, dem Eisen und Feuer unbeschränkt zu Gebote stehen, 
dessen 65 Millionen Untertanen durch die einmütige Stimme ihrer großen 
Zeitungen nichts anderes verlangen als Arbeit im Frieden, dieser Kaiser 
kann nicht wegen eines diplomatischen Einvernehmens das ihn ungeduldig 
macht, wegen eines Marokko das ihn ärgert, oder wegen einer Schnitte 
Kongo die größer sein soll als die ihm angebotene, sein Heer, seine Flotte, 
sein Volk, seinen Ruhm, seine durch das Schwert geschmiedete Krone und 
sein auf die Waffen gegründetes Reich auf einen Würfel zu setzen. Zu 
dieser Stunde ist also die Mangelhaftigkeit der deutschen Verfassung eine 
Friedensbürgschaft. Die Sozialisten und die deutschen Katholiken, die mit 
verschiedenen hinterhältigen Absichten dem Kaiser auflauern, die einen, um 
das Reich zu zertrümmern, die andern, um die Krone auf ein sehr nahe 
verwandtes Haupt zu übertragen, das durchaus bereit ist, sie sich aufzusetzen, 
erwarten gespannt die Entschließung des allmächtigen Herrschers, der mit 
einer Kriegsbewegung sein Andenken unsterblich machen oder zerstören kann. 
Deutschland, das vom Schicksal mit Glücksgütern überhäuft worden ist, 
muß einsehen, daß es sein glänzendes Geschick nur im Frieden entwickeln 
kann. Sollten die Dinge sich anders wenden, so würde Deutschland ein 
Volk vor sich finden, das eine lange Hoffnung belebt, das entschlossen ist, 
um den Preis des Blutes der Ungerechtigkeit zu widerstehen, und das seit 
40 Jahren zu tapfere Anstrengungen gemacht hat, um sich des Sieges un- 
würdig zu glauben.“ 
21. Oktober. Eine Skandalaffäre in Udschda. 
Der französische Oberbefehlshaber in Ostmarokko General Toutée 
hat in Udschda den Regierungskommissar Destailleur, den Vizekonsul Lor- 
geau, den Zollverwalter Pandori und den marokkanischen Kaid verhaften 
lassen, die Veruntreuungen begangen haben. 
A. Oktober. (Paris.) Rede des englischen Generalpost- 
meisters Samuel in der britischen Handelskammer.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.