438 Frantreich. (Oktober 21.—November 3.)
Der Generalpostmeister bezeichnet es in aller Form als unrichtig,
daß im Laufe der Marokkoverhandlungen England danach getrachtet
wobe Schwierigkeiten zu schaffen, um eine endgültige Regelung zu hemmen.
ngland habe sich auf keine Weise in die französisch-deutschen Verhand-
lungen eingemischt. Die englicche Regierung habe vielmehr stets eine rasche
und ehrenvolle Lösung der Marokkofrage gewünscht und einzig und allein
das Bestreben gehabt, der Sache des Friedens und des sozialen Fortschritts
zu dienen.
21. Oktober. (Algier.) Der Generalgouverneur Lutaud, der
erst wenige Monate im Amt ist, reicht sein Entlassungsgesuch ein.
Die Hauptursache von Lutauds Entschluß ist in der Tatsache zu
suchen, daß die Regierung soeben den Unterpräfekten von Bethune, Herrn
Genebrier, zum Generalsekretär des Gouverneurs ernannt hatte, ohne zuvor
Lutauds Ansicht hierüber zu hören, und obwohl Lutaud erst vor kurzem,
während er auf Urlaub in Paris weilte, mit der Regierung vereinbart
sae, es solle jener wichtige Posten nur in voller Uebereinstimmung mit
einen Wünschen besetzt werden.
31. Oktober. Im Ministerium des Außern wird versichert,
daß der kurze Aufschub in der Fertigstellung der 17 Artikel des
Kongovertrages lediglich dadurch bedingt ist, daß die deutschen und
die französischen Karten gewisse Verschiedenheiten in der Orts-
bezeichnung aufweisen.
31. Oktober. Durch ein Dekret des Präfidenten werden die
Kammern zum 7. November einberufen.
1. November. Ein Urteil über das Wahlergebnis in den
Reichslanden.
Der ehemalige Minister Senator Baudin schreibt in der „Action“:
„Es ist zwecklos, uns die Wahrheit zu verheimlichen. Die Wahlen für das
elsässisch-lothringensche Unterhaus sind ein deutscher Sieg. Dieses Ergebnis
verdankt man dem Bündnisse der Nationalliberalen und der Sozialisten.
Der Zweck ist augenscheinlich, eine antinationale Mehrheit zu erlangen.
Daß die Nationalliberalen bereit waren, dabei mitzuwirken, ist natürlich;
was soll man aber dazu sagen, daß die Sozialisten auf die Absichten des
Reichskanzlers eingegangen sind? Wenn die Sozialdemokratie, die Partei
der Unterdrückten, der Verwahrung für die Menschenrechte, das Berufungs-
gericht der Besiegten gegen die rohe und pedantische Tyrannei der Beamten,
wenn sie für die Genossenschaftsfreiheit, für die Freiheit der Schrift und
des Atmens war, wie soll man dann ihr Bündnis mit der Partei der Ver-
preußung begreifen? Die Sozialisten haben jedoch ohne Zögern dem Inter-
esse und dem Instinkt der Rasse gehorcht. Sie sind auf die Absichten der
Regierung eingegangen, weil sie, wie die Regierung selbst, den Augenblick
gekommen sahen, ihren Anteil an der Eroberung zu erbeuten. Sie haben
entschlossen an der Aufgabe mitarbeiten wollen, Elsaß-Lothringen von seinem
lateinischen Ursprung und vom französischen Idealismus loszureißen. Sie
sind fröhlich dem alldeutschen Programm beigetreten, das darin besteht,
Elsaß-Lothringen für die deutsche Anziehung, den zentralistischen Geist, den
Imperialismus zu gewinnen und jeden Partikularismus zu ertöten.“
3. November. (Paris.) Besuch des Königs der Hellenen
beim Präsidenten Fallieères.