Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

446 f##reicz. (Dezember 14., 15.) 
den wirtschaftlichen Forderungen Deutschlands. Wir wollten wirtschaftliche 
Gleichberechtigung.“ Bezüglich des Kongo fügt der Minister hinzu: „Die 
Regierung rettet die Lebensfähigkeit ihrer Besitzungen im äguatorialen 
Afrika, sie dachte niemals daran, ihr Vorzugsrecht auf Belgisch-Kongo auf- 
zugeben, ein Recht, das ganz persönlich und unabtretbar ist. Die Klausel, 
welche einen eventuellen Tausch von den Signatarmächten der Berliner 
Akte von 1885 abhängig macht, ist garantiert.“ Weiter legt der Minister 
dar, daß das Abkommen Frankreich völlige Freiheit in Marokko gäbe so- 
wohl hinsichtlich der Verwaltung, wie des Militärs und der Finanzen. Der 
Minister drückt seine Freude darüber aus, daß die Verhandlungen eine 
friedliche Lösung gefunden hätten, die überdies die Sicherheit der ent- 
wickelten algerischen Besitzungen erhöhe und Frankreich einen Zuwachs an 
Macht bringe. Ueberall in der Welt würde anerkannt, daß Frankreich aus 
diesen Verhandlungen in einer Lage hervorgehe, die weit davon entfernt 
sei, eine Schwäche zu bedeuten. (Beifall.) Zu den französisch-spanischen 
Verhandlungen erklärt de Selves: „Unsere Politik wird sein, Spanien zu 
sagen: „Wir haben uns in Marokko mit Opfern eine neue Lage geschaffen, 
ihr werdet an dem, was wir erworben haben, teilnehmen. Nehmet auch 
an den Opfern teil, die wir bewilligt haben.“ Wir werden bedacht sein, 
Spanien dies zu sagen, ohne seine Würde zu verletzen. (Lebh. Beifall.) 
Ich habe das Gefühl, daß ein großes Land wie Frankreich nicht seine 
Macht mißbrauchen darf.“ (Lebhafte Entrüstung auf der Rechten, im 
Zentrum und auf der äußersten Linken. Der Lärm dauert mehrere 
Minuten.) De Selves schließt: „Frankreich muß in der Lage sein, an den 
auswärtigen Ereignissen in friedlichem Geiste teilzunehmen, und jetzt ist 
der Augenblick da, wo wir die Wohltaten unserer Freundschaften und 
unserer Bündnisse würdigen können. (Lebh. Beifall.) Indem wir sie noch 
enger gestalten, wenn es möglich ist, wünschen wir unsere Aufgabe zu er- 
füllen. Wenn wir das tun, entsprechen wir nur dem in England von dem 
Staatssekretär des Acußern ausgedrückten Gefühl und dem Gefühl, das 
kürzlich bei seinem Besuch, den wir in wertvoller Erinnerung behalten 
werden, der Minister des Aeußern einer verbündeten Macht zum Ausdruck 
gebracht hat.“ (Lebhafter Beifall auf der Linken und verschiedenen anderen 
Bänken.) 
Kolonialminister Lebrun führt unter Beifall aus, in welchem 
Geist die Regierung in die Abtretung des Gebietes eingewilligt habe. Die 
Regierung habe Libreville und den mittleren Kongo behalten wollen wegen 
seines Reichtums und wegen der guten Verbindungen in diesem Gebiete. 
Lebrun macht des weiteren Angaben über die Ausdehnung des ab- 
getrennten Gebietes, das aus 50000 Quadratkilometer sumpfigem Boden 
mererese). 60000 Quadratkilometer Urwald und 100000—120000 Quadrat- 
ilometer anbaufähigem Lande bestehe. 
Der vom Graf de Mun gestellte Antrag, die Ratifizierung des 
deutsch-französischen Abkommens bis nach Abschluß der französisch-spanischen 
Verhandlungen aufzuschieben, wird schließlich mit 448 gegen 98 Stimmen 
abgelehnt. 
14. Dezember. (Kammer.) Der geforderte außerordentliche 
Kredit von 3300000 Franken zum Ankauf des Palazzo Farnese 
in Rom für die französische Botschaft wird bewilligt. 
15. Dezember. (Kammer.) Fortsetzung der Marokkodebatte. 
Vaillant (geeinigter Sozialist) erklärt, das Abkommen bedeute 
das Ende des Alpdrucks eines Krieges. Frankreich müsse das Bindeglied
	        
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