Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

450 Fr#untreich. (Dezember 18.) 
bei der Redaktion des Vertragsentwurfes befragt habe, um den Text der 
Algecirasakte nicht fortbestehen zu lassen. Sodann verglich er die Lage 
Englands in Aegypten mit der Frankreichs in Marokko und sagte: Wir 
können uns aus vielen Gründen beglückwünschen, daß England allein in 
Aegypten ist. Aber ich darf sagen, daß wir in Marokko ein Regime haben, 
das dem Englands in Aegypten weit überlegen ist. Caillaux ging sodann 
auf die wirtschaftlichen Fragen ein und führte aus, daß das Berg- 
werksregime normal sei, da man keine Ausfuhrzölle habe. Ueber die Berg- 
werkssteuer werde Frankreich allein zu verfügen haben. Was die Veran- 
lagung anbelange, so sei Frankreich hinsichtlich der Taxen in keiner Weise 
ebunden. (Finanzminister Klotz bestätigt diese fiskalischen Ausführungen.) 
as die Eisenbahnen betreffe, so werde die Schutzmacht die Freiheit haben, 
die Verwaltung zu organisieren. Wir sind nur in dem einen Punkte ge- 
bunden, das Verlangen nach privaten Zweigbahnen auf Grund der franzö- 
sischen Bestimmungen ehrlich zu prüfen. Allerdings sei die wirtschaftliche 
Ausdehnung Frankreichs an drei Beschränkungen gebunden: an die Existenz 
der Staatsbank, den Grundsatz der wirtschaftlichen Freiheit und den Grund- 
satz der offenen Tür. Es sei unmöglich gewesen, die Organisation der 
Staatsbank zu ändern. Andererseits bestehe ein Vorrecht für die französische 
Finanz: der Direktor und die Mehrzahl der Beamten seien Franzosen. 
Gewiß müsse sich Frankreich bei den großen öffentlichen Arbeiten dem Sub- 
missionsverfahren fügen, aber es sei unmöglich gewesen, den ganzen Inhalt 
der Algecirasakte zu beseitigen. Die offene Tür sei ein großes Zugeständ- 
nis, aber sie sei auch schon an der Elfenbeinküste und in Dahome zugestanden 
worden. Der Ministerpräsident legte dann dar, daß der französische Handel 
in Marokko sich bessern werde, wenn die politische Aktion zu der wirtschaft- 
lichen hinzutrete. Die offene Tür sei der Grundsatz, dem man sich für neue 
Länder nicht mehr werde entziehen können. Er faßte dann den Inhalt des 
Marokkovertrages kurz zusammen und fügte hinzu, er glaube nicht, daß es 
möglich gewesen sei, die Rechte Frankreichs besser zu wahren. Die Ver- 
handlungen mit Spanien beleuchtete er alsdann und gab der Ueber- 
eugung Ausdruck, daß sie keinen ernsteren Schwierigkeiten begegnen würden, 
27 seien aber darum nicht minder delikat. Frankreich habe das lebhafteste 
Verlangen nach Verständigung, ein tiefes Gefühl für das Recht und die 
Würde Spaniens, aber dieses doppelte Gefühl schließe die Klarheit und 
Festigkeit des französischen Standpunktes nicht aus. (Beifall.) Wir halten 
es — so führte Caillaux weiter aus — für billig, in aller Freundschaft 
eine entsprechende Entschädigung für die Vorteile zu verlangen, die die 
Anstrengungen unserer Diplomatie und die von uns gebrachten Opfer er- 
rungen haben. (Lebh. Beifall.) Wir halten außerdem noch gewisse Bürg- 
schaften für notwendig und gewisse Bestimmungen, die geeignet sind, der 
Verantwortlichkeit und den Interessen Frankreichs voll Rechnung zu tragen. 
Auch ich begrüße die Bestimmung über den Haager Schiedsgerichtshof lebhaft. 
(Beifall.) Vielleicht wird diese wertvolle Klausel nicht genügen, um jede 
Gefahr zu vermeiden, aber worauf es in Wahrheit ankommt, ist die Art 
der Anwendung der Konvention, viel Umsicht und Intelligenz! Marokko 
ist für die Zukunft eine große Vorratskammer von Dingen und Menschen. 
Unsere Freunde, unsere Verbündeten und die mit Frankreich weniger nah 
verbundenen Mächte erkennen an, daß der Vertrag beiden Teilen zum 
Vorteil gereicht. 
Caillaux führt weiter aus: Er würde sich mit einer Stimmenthaltung 
über den Vertrag nicht zufriedengeben können. Jeder habe seinen Teil Un- 
ruhe gehabt, jeder müsse seine Verantwortlichkeit auf sich nehmen. (Beifall.) 
Der Minister verwies sodann auf den Wert des Abkommens für die Kon- 
 
	        
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