Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

Ilalien. (Juni 10.—Juli 3.) 461 
Orient zusammenarbeite. Obwohl das italienische Kapital sich zurückhalte, 
freue er sich, einige neue Vorstöße und eine allgemeine Entwicklung des 
italienischen Handels im Orient feststellen zu können. Der Minister glaubt, 
daß das deutsch-französische Abkommen über Marokko vom 9. Februar 1909 
kein italienisches Interesse verletzt, vielmehr von neuem den Grundsatz der 
wirtschaftlichen Gleichberechtigung befestigt. Er wird glücklich sein, wenn 
die Frage der Begrenzung der Rüstungen praktisch wird, ohne die mili- 
tärische Verteidigung Italiens zu beeinträchtigen. Er schloß mit der Fest- 
stellung, daß sieben Schiedsgerichtsverträge laufen, während die Verhand- 
lungen für neun weitere im Gange sind. (Lebhafte allgemeine Zustimmung.) 
10. Juni. Giolittis Wahlreformvorlage wird verbffentlicht. 
Außer den großjährigen Männern, die lesen und schreiben können, 
erhalten auch Analphabeten das Wahlrecht, wenn sie Militärdienste geleistet 
haben oder dreißig Jahre alt geworden sind. Für die Abgeordneten wird 
eine jährliche Entschädigung von 6000 Lire vorgeschlagen. 
12. Juni. (Kammer.) Mißtrauen gegen deutsche Unter- 
nehmer in Tripolis. 
Anfrage des Deputierten Cirmeni, ob es wahr sei, daß durch Kon- 
trakt ein vor den Toren von Tripolis gelegener großer Landbesitz teils 
durch Verkauf, teils pachtweise deutschen Kapitalisten abgetreten sei. — Es 
handelt sich um 100 Hektar, die Herr von Lochow von Engländern gekauft 
hat, um sie mit tunesischen Arbeitern zu bewirtschaften. 
21. Juni. (Senat.) Erklärung des Auswärtigen Ministers 
Marquis di San Giuliano. 
Die großen Linien der auswärtigen Politik Italiens seien eine 
notwendige, logische Folge der Lage der Dinge und änderten sich nicht, 
wenn sich die Regierungen änderten. Italien bleibe bei seiner festen Politik 
der Bündnistreue, die vervollständigt werde durch seine Freundschaften mit 
anderen Mächten. In betreff der Behauptung Guicciardinis in der Kammer, 
daß Italien tatsächlich isoliert sei, erkläre er im vollen Bewußtsein seiner 
Verantwortlichkeit, er teile diese Ansicht nicht; Guicciardini könne keine 
einzige Tatsache zur Bekräftigung seiner Behauptung anführen. In bezug 
auf die Tripolisfrage könnten seine Erklärungen nicht von denen seiner 
Vorgänger abweichen. Die italienische Politik beruhe auf der Integrität 
des osmanischen Reiches, und die Interessen IJtaliens im Mittelmeer fänden 
in den bestehenden Abkommen mit den europäischen Mächten befriedigende 
Bürgschaften. 
25. Juni. (Schloß Moncalieri.) Prinzessin Clotilde Bona- 
parte, Tochter Viktor Emanuels II., ## 68 Jahre alt. 
3. Juli. Preßstimmen zur Entsendung des „Panther"“ nach 
Agadir. 
Die offiziöse „Tribuna“" stellt einen Vergleich zwischen den Schritten 
Spaniens und Deutschlands an und findet das Verfahren weniger ein- 
schneidend und befremdend, da Deutschland nicht, wie England, Italien 
und Rußland, der französischen Expedition nach Fez zugestimmt, sondern 
sich im Gegenteil seine Rechte ausdrücklich vorbehalten habe. Jedenfalls 
lasse sich eine Landung deutscher Mannschaften in Agadir leichter recht- 
fertigen als die spanische Aktion in Larasch und die französische in Fez, 
denn die deutsche Aktion bezwecke die Zurückführung der marokkanischen
	        
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