Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

462 Ilealien. (Juli 4. -27.) 
Frage auf den neutralen Punkt. Offenbar sei die Aktion in Marokko für 
Deutschland nur ein Schachzug, der die friedliche Erreichung anderer Ziele 
erleichtern soll. Frankreich werde Mühe haben, aus der heiklen Lage, in 
die Cruppi und Delcassé es gedrängt haben, herauszukommen, aber der 
Weg sei vorgezeichnet. Deutschland habe jetzt eine günstigere Stellung als 
Frankreich, aber es hege keine feindseligen Absichten. Der neue französische 
Minister des Auswärtigen, schließt die „Tribuna“, kann seinem Land und 
Europa einen hervorragenden Dienst leisten, wenn er beweist, daß er 
lediglich auf dem der Republik zugewiesenen Gebiete friedliche Garben 
schneiden will. Italiens Interessen im Mittelmeer sind bei seinen Freunden 
und seinen Verbündeten in besten Händen. — Das oppositionelle „Gior- 
nale d'Italia“ wirft der Consulta Schwäche und Untätigkeit vor, wäh- 
rend entschlossenere Völker und Regierungen sich ihren Platz an der Sonne 
erkämpfen. Das Blatt erkennt an, daß Deutschland einen geschickten und 
schwer angreifbaren Zug getan hat, hält aber die Lage für gefährlich, weil 
Delcassé der wahre Leiter der auswärtigen Politik Frankreichs ist und weil 
Agadir in deutschem Besitz eine Bedrohung der französischen Handelswege 
im Sudan sei. — „Popolo Romano“ drückt die Ueberzeugung aus, daß 
Deutschland nicht die mindeste Absicht habe, Verwicklungen herbeizuführen, 
was schon durch die Geringfügigkeit der angewendeten Machtmittel und 
durch das bisherige Unterbleiben einer Truppenlandung bewiesen werde. 
Immerhin sei die Lage besonders wegen des Vorgehens Spaniens nicht 
allzu befriedigend, und eine genauere Verständigung über die Tragweite 
der Algecirasakte wäre wünschenswert, was besser als durch eine neue Kon- 
ferenz auf dem Wege diplomatischer Verhandlungen zu erreichen wäre. 
4. Juli. (Rom.) Besuch des türkischen Thronfolgers. 
„Popolo Romano“ erinnert an die Waffenbrüderschaft im Krim- 
kriege und die seitdem ununterbrochenen freundschaftlichen Beziehungen, die 
nur in allerletzter Zeit leichte Wölkchen des Mißtrauens hätten aufsteigen 
lassen, weil Italien gewisse Absichten auf Tripolis untergeschoben würden. 
Das Blatt glaubt mit vollster Aufrichtigkeit versichern zu dürfen, daß weder 
die Regierung noch die Nation jemals den leisesten Gedanken gehabt hätten, 
irgendwo die türkischen Hoheitsrechte anzutasten. 
Anfang Juli. Statistik der im Ausland lebenden Italiener. 
Es leben in außeritalienischen Ländern Europas 736000 Italiener 
(Deutsches Reich 110 000; Schweiz 135000; Oesterreich-Ungarn 90 000; 
Frankreich 400 000), in Asien 4500, in Afrika 191.000 Italiener (Tunesien 
100000; Algier 45 000; Egypten 35000), in Australien 7600 und in 
Amerika 4 435 920 Italiener (Vereinigte Staaten 1779000; Brasilien 
1500000; Argentinien 1000000; Uruguay 100000, Kanada 10000; Chile 
13000; Peru 12000; Mexiko und Mittelamerika 7000). Die Gesamtzahl 
der im Ausland lebenden Italiener beträgt danach 5 476000. 
5. Juli. (Schloß Stupinigi bei Turin.) Königin Maria 
Pia von Portugal, Großmutter des Exkönigs Manuel und Tochter 
Viktor Emanuels II., f# 64 Jahre alt. 
8. Juli. (Kammer.) Mit 289 gegen 118 Stimmen bei 
19 Enthaltungen wird beschlossen, den Gesetzentwurf der Regierung 
über Verstaatlichung der Lebensversicherungen in Beratung zu ziehen. 
27. Juli. Statistik der Auswanderung.
	        
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