Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

Römische Kurie. (Jantkar 3.—Ende.) 469 
Kirchenväter nicht bewiesen. Gleicherweise werde höchst unklug in Zweifel 
gesetzt das Fegefeuer und das Dogma der unbefleckten Empfängnis, die 
den heiligen Männern der ersten Jahrhunderte unbekannt gewesen seien. 
Desgleichen werde ein schon von Innozenz X. längst verdammter Irrtum 
wiederholt, daß Paulus gleichwertig mit Petrus zu halten sei. Die S Schrift 
enthalte also so schwere theologische Irrtümer, daß eine größere Menge in 
so wenigen Seiten nicht enthalten sein könnte. (Der Verfasser war Prinz 
Max von Sachsen, der aber seine „Gedanken übex die Frage einer Ver- 
einigung der christlichen Kirchen“ bereits widerrufen hatte.) Er hoffe auf 
eine Vereinigung der Kirchen, aber anerkannt müßte bleiben, was die 
heiligen Schriften, die Tradition der Kirchenväter, die allgemeinen Konzilien 
und die Dekrete der höchsten Pontifexe festgelegt haben. 
3. Januar. Der päpstliche Nuntius Granito de Belmonte, 
mit dem das auswärtige Amt in Wien seit Dezember 1908 alle 
Beziehungen wegen einer Indiskretion abgebrochen hatte, wird 
endlich abberufen. 
25. Januar. Antwort auf die Beschlüsse der Bischofskonferenz 
in Fulda vom 13. und 14. Dezember 1910. 
Das Kommuniongesetz sollte nicht nur ein päpstlicher Befehl, 
sondern ein Ausfluß des Evangeliums sein. Die Bischöfe dürften sich bei 
der Disziplinierung unbotmäßiger Pfarrer nicht durch Rücksicht auf die 
weltlichen Behörden beeinflussen lassen. Den Theologieprofessoren an den 
staatlichen Universitäten sei zwar der Antimodernisteneid erlassen, er, 
der Papst, erwarte aber von ihnen vor allen anderen einen spontanen Eid. 
Sonst sei ihre Lehre nicht gerade verdammenswert, aber es zeige sich, daß 
sie Kirchengegnern folgen, die behaupten, dieser Eid'“ sei gegen die menschliche 
Würde und Freiheit der Wissenschaft. 
27. Januar. Eine deutsche Erinnerung. 
Bei der zur Feier des Geburtstages des deutschen Kaisers ver- 
anstalteten Tafel wies der preußische Gesandte beim Pähstlichen Stuhl, 
Dr. v. Mühlberg, auf die Krisis der vergangenen Jahre hin und betonte, 
daß der konfessionelle Friede in Deutschland sowie die Beziehungen seiner 
Regierung zum Vatikan bedroht schienen. Man befinde sich in Rom im 
Irrtum, wenn man behaupte, daß die katholische Religion in Deutschland 
verfolgt werde. Die Ansprache des Kaisers im Kloster zu Beuron enthalte 
eine so klare Anerkennung des Wertes des Glaubens für das deutsche Volk, 
daß darüber jedem Patrioten die trennenden Punkte in den beiden Kon- 
fessionen verschwänden und nur die Momente hervorträten, die die beiden 
christlichen Konfessionen einen und zusammenschließen sollen zur gemein- 
samen Arbeit für das Vaterland und zum Schutze der kulturellen Interessen. 
Ende Januar. Statistisches aus dem „Kirchlichen Jahrbuch“. 
Die katholische Hierarchie zählt gegenwärtig im lateinischen und 
griechischen Ritus 13 Patriarchen, 298 Erzbischöfe, 1257 Bischöfe, 22 Aebte, 
insgesamt 1590 höhere Würdenträger. Die Zahl der Katholiken des ganzen 
Erdkreises wird mit 285912 838 angegeben; andere Statistiken nennen 
wesentlich niedrigere Ziffern. — Das Kardinals-Kollegium zählt gegen- 
wärtig 50 Mitglieder, statt 70 (ursprünglich 72), die es zählen sollte. 
Darunter sind viele in hohem Alter; Gruscha, Erzbischof von Wien, zählt 91, 
Capecelatro, Erzbischof von Capua, 87, Erzbischof Katschtaler von Salz- 
burg 85, di Pietro 83, Oreglia 82, Erzbischof Couillié von Lyon ebenfalls 82,
	        
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