Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

512 Kürtei. (September 27.—29.) 
27. September. Der Ministerrat beschließt, im Falle wider 
Erwarten Italien Tripolis doch zu besetzen versuche, unter anderem 
folgendes: 1. in Tripolis gegen Italien bis auf den letzten Soldaten 
zu kämpfen; 2. Ausweisung aller Italiener aus der Türkei; 3. die 
Türkei entzieht den Italienern die Kapitulationsrechte. 
27. September. (Tripolis.) Der größte Teil der italienischen 
Kolonie wird kostenfrei nach Syrakus befördert. 
W8. September. Das Ultimatum Italiens wird um ½3 Uhr 
nachmittags überreicht. 
„Trotzdem die italienische Regierung immer in loyaler Weise ihre 
Unterstützung der kaiserlichen Regierung in verschiedenen politischen Fragen 
der letzten Zeit hat angedeihen lassen, trotz der Mäßigung und Geduld, die 
die italienische Regierung bis heute bewiesen hat, sind nicht nur ihre Ab- 
sichten betreffend Tripolis von der kaiserlichen Regierung mißdeutet worden, 
sondern, was mehr ist, jedes italienische Unternehmen in den oben erwähnten 
Gebieten ist beständig einer systematischen, höchst hartnäckigen und ungerecht- 
fertigten Opposition begegnet. Die kaiserliche Regierung, die bis heute 
beständig ihre feindselige Gesinnung gegen jede legitime Wirksamkeit von 
italienischer Seite in Tripolis und Kyrene an den Tag gelegt hat, hat 
zanz neuerdings durch einen in letzter Stunde unternommenen Schritt der 
öniglichen Regierung eine Verständigung vorgeschlagen, indem sie sich bereit 
erklärte, jedes mit den bestehenden Verträgen sowie mit der Würde und 
den höheren Interessen der Türkei zu vereinbarende wirtschaftliche Zu- 
eständnis zu bewilligen, aber die königliche Regierung sieht sich nicht mehr 
in der Lage, jetzt Verhandlungen anzuknüpfen, deren Nutzlosigkeit die Ver- 
gangenheit erwiesen hat und die, weit davon entfernt, eine Garantie für 
die Zukunft zu bieten, nur eine beständige Ursache von Reibungen und 
Konflikten sein würden. 
Die italienische Regierung, die sich gezwungen sieht, von nun an an 
den Schutz ihrer Würde und ihrer Interessen zu denken, ist entschlossen, zu 
einer militärischen Besetzung von Tripolis und Cyrenaika zu schreiten. Diese 
Lösung ist die einzige, die für Italien in Betracht kommt, und die kaiser- 
liche Regierung möge demzufolge Anordnungen treffen, daß dieser Schritt 
bei den gegenwärtigen ottomanischen Vertretern in Tripolis auf keinen 
Widerstand stoße, und daß die aus ihr sich ergebenden Maßnahmen ohne 
Schwierigkeit getroffen werden können. Weitere Abmachungen könnten von 
den Regierungen festgelegt werden, um die Lage endgültig zu regeln. Die 
königliche Botschaft in Konstantinopel hat den Auftrag erhalten, eine ent- 
scheidende Antwort hierauf von der ottomanischen Regierung innerhalb 
24 Stunden nach der Vorlegung des gegenwärtigen Schriftstückes zu ver- 
langen, widrigenfalls die italienische Regierung sich genötigt sehen würde, 
die zur Sicherung der Besetzung beabsichtigten Maßnahmen unverzüglich 
zu treffen. Wollen Sie hierzu noch bemerken, daß in dem Termin von 
24 Stunden die Antwort auch durch die Vermittlung der türkischen Bot- 
schaft in Rom uns mitgeteilt werden soll. (gez.:) di San Giuliano.“ 
29. September. Ablehnende Antwort auf das italienische 
Ultimatum. 
Die Pforte erklärt unter langer Begründung, daß sie bereit sei, über 
wirtschaftliche Zugeständnisse an Italien sowie die Anerkennung der besonderen
	        
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