Pereinigte Staaten von Mordamerik# und Kausds. (Dezember 7.—15.) 547
7. Dezember. Zweite Botschaft des Präsidenten Taft an den
Kongreß.
Sie behandelt die auswärtigen Beziehungen und sagt ur. a.,
die ausländischen Regierungen hätten die amerikanischen Interessen inner-
halbe ihrer Jurisdiktion eigenmächtig in nachteiliger und ungerechter Weise
behandelt. Die Zeit sei deshalb reif für die Schaffung von Vergeltungs-
mitteln. Gegen die Benachteiligung des amerikanischen Handels in fremden
Ländern und zum Schutze finanzieller Interessen amerikanischer Bürger
gegen nachteilige Behandlung ausländischer Regierungen müßten legislative
oder administrative Maßnahmen ergriffen werden. Nachdem er die fort-
schreitende Entwicklung des Prinzips internationaler Schiedsgerichte berührt
hat, weist Taft auf den bisher unerreicht hohen Stand der amerikanischen
Ausfuhr im vergangenen Jahre hin. Der gesamte auswärtige diplomatische
Dienst werde unter besonderer Rücksicht auf die Anforderungen der Handels-
interessen des Landes organisiert. Taft weist sodann auf die dringende
Notwendigkeit eines biegsamen Zolltarifs hin, um die Vereinigten Staaten
in den Stand zu setzen, eine Politik des Gebens und Nehmens zum Vorteile
ihres Handels zu verfolgen. Der Doppeltarif von 1909 sei von Vorteil
gewesen. Es sei wünschenswert, daß der Minimaltarif eine Freiliste ein-
schließe, damit er eine angemessene Bedeutung für die Länder habe, die
nur Artikel der Freiliste importieren. Taft schlägt ferner besondere Maß-
regeln zur Förderung der Geschäftsentwicklung der amerikanischen Banken
im Auslande und zur Entwicklung der amerikanischen Handelsflotte vor.
Präsident Taft erwähnt in seiner Botschaft auch die Steubenfeier in Potsdam
und bemerkt: „Der Kaiser hat mir telegraphisch in seinem eigenen Namen und
im Namen des deutschen Volkes den Ausdruck der Wertschätzung und des
Dankes für das von dem Kongreß geschenkte Steubendenkmal übermittelt.“
10. Dezember. Mangelnde Kriegsbereitschaft.
Der Staatssekretär des Krieges Stimson erklärte in seinem
diesjährigen Bericht, ein Krieg mit einer Großmacht würde die Vereinigten
Staaten so gut wie unvorbereitet finden. Das sei größtenteils dem Umstand
zuzuschreiben, daß die Armee in zahlreichen Posten über das Innere des
Landes zerstreut sei und ein Mangel an Reserven bestehe. Der Bericht tritt
energisch dafür ein, die Anwerbung auch für eine kürzere Zeit als drei Jahre
zu gestatten, um es möglichst vielen Waffenfähigen zu ermöglichen, den regu-
lären Heeresdienst durchzumachen und ein starkes Bürgerheer aufzubauen.
12. Dezember. (Kongreß.) Der Ausschuß des amerikanischen
Repräsentantenhauses nimmt einstimmig eine Resolution auf Auf-
hebung des Handelsvertrages mit Rußland an, weil dieses die
amerikanischen Pässe für Juden nicht anerkennt.
Das Repräsentantenhaus schließt sich dem einstimmig an.
12. Dezember. Der im Juli unterzeichnete Vertrag zwischen
England, Rußland, den Vereinigten Staaten von Nordamerika und
Japan betreffend das Verbot des Seerobbenfangs während einer
längeren Periode wurde ratifiziert.
15. Dezember. Präsident Taft kündigt den Handelsvertrag
mit Rußland von 1832, weil die russischen Konsulate sich weigern,
die Pässe amerikanischer Juden zu visieren (s. 12. Dezember).
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