Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

Algemeines. Interuatienale Rongresse. Dixlematisqhe 2. senstige Enthüllnzen. 595 
„Wie wir erfahren, haben die Verhandlungen in Berlin zwischen 
Herrn von Kiderlen-Wächter und Herrn Jules Cambon, französischer Bot- 
schafter in Berlin, jetzt zur Formulierung ausgedehnter deutscher Forderungen 
geführt. Diese umfassen die vollständige Abtretung der Küste und des Innern 
des französischen Kongogebiets bis zum Sanghafluß nebst dem Vorkaufsrecht, 
das Frankreich auf den Kongostaat besitzt.“ Die Zeitung empfahl der briti- 
schen Regierung, ebenfalls ein Kriegsschiff nach Agadir zu entsenden, wie 
es die Daily Mail schon am 4. Juli geraten hatte. Die Nachricht von den 
neuen Forderungen (!) war am 19. Juli aus Paris telegraphiert. 
24. Juli. (London.) Internat. Kongreß der Bergarbeiter. 
2. August. (Kopenhagen.) Intern. Tierschutzkongreß. 
4. August. (Paris.) Die internationale Arbeiterschaft gegen 
die Kriegsgefahr. 
Reichstagsmitglied Molkenbuhr versichert, der Krieg werde 
nur vom ausbeuterischen Kapitalismus gewünscht und erklärt. In Marokko 
führe sowohl die deutsche wie die französische Regierung einen reinen Beute- 
feldzug. Gestern habe Deutschland eine Million Sozialisten gehabt. Nächstes 
Jahr würden ihrer vier Millionen sein. Die Proletarier aller Länder 
müßten sich dahin verständigen, daß sie den Krieg unmöglich machen. — 
Der Vertreter der spanischen Arbeiterschaft Negre aus Barcelona 
erklärt, der allgemeine Ausstand werde der Retter des Proletariats aller 
Länder sein. — Der Engländer Tom Mann klagt die englische Re- 
gierung an, nur auf eine günstige Gelegenheit zu warten, um den Krieg vom 
Zaun zu brechen. Er wolle ihr jedoch keinen allzu großen Vorwurf daraus 
machen, da auch alle anderen Regierungen von derselben verbrecherischen Absicht 
beseelt seien. — Der Arbeitsbündler Mvetot gelobt, daß die französische 
Arbeiterschaft die erste sein werde, die sich auf das früheste Anzeichen 
einer beabsichtigten Kriegserklärung hin gewaltsam erheben werde. Auf die 
Mobilmachung werde sie mit dem bewaffneten Aufstand antworten. 
Die Versammlung schloß mit der Annahme der Tagesordnung, 
die erklärt, die Vertreter der Arbeiterschaft aller Länder seien bereit, eine 
Rriegserklärung mit allen Mitteln zu beantworten, die in ihrer Gewalt 
ständen. Krieg dem Kriege! 
12.—18. August. (Brüssel.) I. intern. Kongreß für Pädologie. 
Vertreten sind Deutschland und Frankreich inoffiziell, ferner die 
Regierungen von Argentinien, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Rumänien, 
Dänemark, England, Spanien, der Vereinigten Staaten, von Griechenland, 
Holland, Ungarn, Italien, Japan, Kuba, Nicaragna, Schweden, Norwegen, 
Schweiz, Portugal und Rußland. — Der Kongreß arbeitet in drei Ab- 
teilungen: 1. Pädologie und Nomenklatur; 2. Anthropometrie, Biologie 
und Schulhygiene; 3. Psychologie des normalen und anormalen Kindes. 
14. August. (Bern.) Die mit 10 Millionen Dollars ins Leben 
gerufene Carnegie-Stiftung zur Förderung des internat. Friedens 
veranstaltet eine Konferenz ihrer zweiten Abteilung für Volkswirt- 
schaft und Geschichte, die sich wiederum in drei Kommissionen gliedert. 
Arbeitsprogramm: 1. Kommission. Ursachen u. Wirkungen der Kriege. 
1. Historische Darstellung der Ursachen der neuzeitlichen Kriege. Ins- 
besondere Verfolgung des Einflusses, den das Streben nach größerer poli- 
tischer Macht, die nationale Idee und die politischen Bestrebungen der 
Rassen, die ökonomischen Interessen ausgeübt haben. 
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