Mebersicht über die politische Eutwichelunz des Jahres 1911. 629
reichen Gefechten die Umgegend der Stadt Tripolis besetzt, als auch
schon am 5. November die offizielle Annexion des noch den Türken
verbliebenen Besitzes in Nordafrika dekretiert wurde. Um Kompli-
kationen zu vermeiden, beschränkte Italien den Kriegsschauplatz bis
Ende des Jahres auf die afrikanischen Provinzen der Türkei und
die Küste von Yemen, so daß die Neutralität der anderen Mächte
gewahrt blieb (siehe unter Türkei).
Auch in den Wirren, durch die China umgestaltet wurde,
blieben die dort interessierten Mächte neutral (siehe China).
Für das Deutsche Reich brachte das Jahr 1911 eine Ver-
mehrung der Bundesstaaten durch die Aufnahme Elsaß-Lothringens
als Mitglied des Bundesrats. Dazu gehörte die Ausgestaltung
des früheren Reichslandes zu einem konstitutionellen Staatswesen.
Die Beratung der Gesetzentwürfe begann am 26. Januar, die An-
nahme in dritter Lesung erfolgte am 26. Mai. In der Kommissions-
beratung entschied sich die Mehrheit am 15. Februar für die Be-
festigung der Stellung des Statthalters, indem sie ihn auf Lebens-
zeit ernannt wissen wollte und für seine vorzeitige Abberufung einen
Bundesratsbeschluß verlangte, der als abgelehnt zu gelten hätte.,
wenn vierzehn Stimmen dagegen sind. Da diese Festsetzung der
Regierung unannehmbar war, so erfolgte eine Unterbrechung der
Beratungen vom 16. Februar bis zum 9. März. Dann machte die
Regierung den gegen die Stärkung der Präsidialmacht gerichteten
Tendenzen das Zugeständnis, daß die drei Stimmen, die Elsaß-
Lothringen im Bundesrat erhielt, nicht gezählt werden sollen, wenn
nur durch sie die Präsidialstimme die Mehrheit für sich erlangen
würde oder bei Anderungen der Reichsverfassung. Durch diese
scheinbare Selbstentäußerung Preußens und wegen des allgemeinen
gleichen Wahlrechts für die zweite Kammer wurden die Konser-
vativen bewogen, gegen das Gesetz zu stimmen; die Sozialdemokraten
stimmten für die Vorlage einschließlich der ersten Kammer. Am
7. Juni wurde das Reichsgesetz publiziert, das Elsaß-Lothringen
die Stellung eines Bundesstaats und einen Landtag mit zwei
Kammern gab. Aber weder die neugebildete „elsaß-lothringische
Nationalpartei“ (S. 119), noch die liberale Landespartei (S. 137)