632 Nebersicht iber die politische Entwickelnus des Jahres 1911.
kräftiger berührten die anderen Redner rückblickend „den hellen Zorn,
als die Ministerrede aus England zu uns herüberdrang“ (S. 201),
„eine Drohung, Herausforderung, eine demütigende Herausforderung“
(S. 204). Eine Dithyrambe des Herrn v. Heydebrand und der Lasa
gegen „die Herren Engländer“, speziell das Gebaren von Lloyd
George und Cartwright (S. 204 f.) war um so bemerkenswerter,
weil ihr der öffentliche Beifall des in der Hofloge gegenwärtigen
Kronprinzen (S. 2183 f.) zuteil wurde. In der schärfsten Kritik der
englischen Einwirkungsversuche waren alle Redner der bürgerlichen
Parteien eines Sinnes (S. 201, 209, 218, 220, 225, 235). In seiner
Replik warnte der Reichskanzler sehr eindringlich vor dem Tone,
der bei der Besprechung der auswärtigen Beziehungen im Reichs-
tage angeschlagen wurde und versicherte, daß er auch England
gegenüber der Ehre seines Volkes nichts vergeben habe (S. 223 f.).
War seine erste Rede resigniert in den Schlußpassus ausgeklungen:
„Wir erwarten kein Lob, wir fürchten aber auch keinen Tadel“,
so prägte er Tags darauf das Diktum: „Der Starke braucht sein
Schwert — nicht immer im Munde zu führen.“ Am dritten Tage
(11. November) gingen die Redner auch auf die Kundgebung des
Kronprinzen und auf den tripolitanischen Feldzug Italiens ein.
Praktisch wichtig war die im Reichstag ausgesprochene Überzeugung,
daß auch der Kongovertrag der Genehmigung des Reichstages
unterliegen sollte. Man überwies diese Frage der Budgetkommission.
So verlegte sich dann vom 14. bis 23. November die weitere
Erörterung vor ein anderes Forum. Hier nahm sie dann auch
sehr bald eine andere Wendung. Zunächst verlas der Staats-
sekretär des Innern Delbrück eine Erklärung, wonach die Regierung
bereit sei, unter „Abänderung des bestehenden Rechtszustandes die
gesetzgebenden Körperschaften in weiterem Umfange als bisher zur
Mitwirkung bei dem Erwerb und der Abtretung von Kolonial-
gebiet“ zu berufen (S. 239 f.).“ Sodann aber machte der Staats-
sekretär des Außeren v. Kiderlen-Wächter sehr ausführliche Mit-
teilungen über die Verhandlungen, denen zugleich durch den verkürzten
Abdruck seines „Exposé“ eine europäische Offentlichkeit gegeben wurde
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* Die Annahme des Schutzgebietsgesetzes erfolgte am 5. Dezember
(S. 269).